Zeit des Erwachens

Der nautische Tourismus nimmt in Kroatien langsam wieder Fahrt auf, Buchten und Häfen sind aber noch spärlich besucht. Wer jetzt auf Törn geht, kann das Lieblingsrevier der Österreicher so zwanglos wie lange nicht genießen

Zeit des Erwachens

Kroatien gilt als Segelparadies. Das ist kein Geheimnis und leicht erklärbar: Über 1.200 Inselchen und Inseln, wie von Gottes Hand entlang der Küste ausgestreut, bilden ein kleinteiliges Labyrinth, in dem sich Yachties nur zu gerne verlieren, eine ausgezeichnet ausgebaute nautische Infrastruktur sorgt für Sicherheit und Komfort, die Windverhältnisse sind meist ordentlich, die Städtchen pittoresk und und die Gastronomie vielfältig. Österreicher können das Revier zudem gut mit dem Auto erreichen, was die Anreise günstig macht und eine gewisse Flexibilität erlaubt. In den letzten Jahren gab es allerdings mächtig Gedränge im Paradies. Rund 4.000 Charteryachten stehen zwischen Rijeka und Dubrovnik zur Verfügung, dazu kommen zahlreiche Eignerschiffe, die im Land stationiert sind. So muss man sich in der Hauptsaison um Boje oder Muring balgen und wer einen Platz an der Mole der Konoba ergattern möchte, darf die Uhr nicht aus den Augen lassen.
2020 wird das vermutlich anders sein, so viel kann man jetzt schon sagen. Die Charterfirmen melden aktuell eine Auslastung von 60 bis 70 Prozent (siehe auch Bericht auf Seite ??) und selbst wenn die EU-Bürger im Hochsommer ihre Reiselust wieder so intensiv ausleben, wie in der Zeit vor Corona, fehlen die Kunden aus Russland, Großbritannien, Übersee und anderen Regionen. Das ist bitter für Veranstalter und Agenturen – aber gleichzeitig eine einmalige Chance für jene Gäste, die sich heuer trotz Pandemie für einen Kroatien-Törn entscheiden.

Könnte dieser Sommer also ein Sommer wie damals werden?

Um das herauszufinden, haben wir uns Anfang Juni auf den Weg nach Biograd gemacht und sind eine Woche lang mit offenen Augen und Ohren unter Segeln durch die Kornaten gestromert.

Ungewohnter Einstieg

Segeljacke, Sonnencreme, Handy-Kabel – und das heilige Einreise-Formular. Schon das Packen für den Törn fällt aus der Routine. Zwar hat Kroatien seine Grenzen geöffnet, die Behörden speichern aber nach wie die Kontakt- und Aufenthaltsdaten der Reisenden ab. Man kann diese theoretisch erst beim Grenzübertritt vor Ort bekannt geben oder sich – was Zeit spart – vorab online unter entercroatia.mup.hr registrieren. Das haben wir getan, brav alle Felder ausgefüllt und das daraufhin per Mail zugesandte, mit einer Nummer versehene PDF-Dokument vorschriftsmäßig ausgedruckt. So vorbereitet kann es losgehen, Abfahrt um 8.00 Uhr in Wien. In Spielfeld winkt man uns nach Slowenien durch, an der Grenze zu Kroatien nehmen die Beamten unser strategisch hinter der Windschutzscheibe positioniertes Formular wohlwollend zur Kenntnis und scannen unsere Pässe. Die Prozedur dauert keine zehn Minuten – schon sind wir drüben.

Um 15.00 Uhr steigen wir in Biograd aus dem Auto. Der Mastenwald der Marina Kornati wirkt vertraut, doch das Getümmel auf den Stegen, wie es für einen Samstag typisch wäre, fehlt. Nur einige wenige Crews schaffen ihre Siebensachen an Bord, es herrscht eine beschauliche Atmosphäre. Wir melden uns im Büro von Pitter Yachtcharter an, betreten darf den Raum nur eine Person, der Mitarbeiter, der die Formalitäten abwickelt, sitzt hinter einer Plexiglasscheibe. Auch bei der Schiffsübernahme befindet sich lediglich der Skipper an Bord, die Crew samt Gepäck muss an Land bleiben. Die Wartezeit wird für den ersten großen Einkauf im Supermarkt genutzt. Was uns sofort auffällt: So gut wie niemand verwendet einen Mund-Nasen-Schutz. Das Tragen von Masken war in Kroatien nie Pflicht, nur Empfehlung, dennoch gelang es, die Pandemie einzudämmen bzw. zurückzudrängen; Mitte Juni waren laut der offiziellen Corona-Seite der kroatischen Regierung (www.koronavirus.hr/en) nur noch zehn aktuell Erkrankte im gesamten Land gemeldet. Als wir in die Marina zurückkommen, ist der Check-In erledigt und die gesamte Mannschaft darf die nagelneue Bavaria C42 in Beschlag nehmen. Decken, Pölster und Bettwäsche liegen frisch geputzt und in Folie eingeschweißt in den Kojen, eine große Flasche Desinfektionsmittel steht mahnend in der Pantry. Sicher ist sicher.

An manchen Stützpunkten sei es schwierig gewesen, Putzpersonal zu bekommen, erzählt uns Marin Katicin, CEO von Pitter Kroatien, der uns auf der Basis Willkommen heißt, denn viele Menschen hätten Angst gehabt, sich beim Reinigen der Charteryachten mit Covid19 zu infizieren. Aber jetzt normalisiere sich die Situation zunehmend.

Und wie normal ist die Situation auf den Inseln? Die ACI-Marinas auf Zut und in der Piskera sind noch geschlossen, weiß Marin, welches Restaurant, welche Konoba derzeit geöffnet hat, kann er uns nicht sagen: Die Lage ändere sich quasi täglich und es gäbe keine zentrale Erfassung der Gastronomie-Betriebe. Einfach hinsegeln und schauen, rät uns der Kornaten-Kenner. Genau das ist unser Plan.

Stressfreie Freuden

Mile ist 76 und unglaublich fit. Die Mole, an der wir mit unserer Bavaria C42 als einzige Yacht liegen, hat er Ende der 1990er Jahre eigenhändig gebaut, ebenso das Haus dahinter. Es gehört zum Dörfchen Suha Punta, das sich in eine Bucht an der Nordwestküste der Insel Kornat schmiegt, und beherbergt eine schlichte Konoba. Mile hat in Wien als Schlosser im Brückenbau gearbeitet und seine Zeit in Österreich in bester Erinnerung – vielleicht ist er deshalb bereit, für uns eine Ausnahme zu machen. Sein inzwischen verpachtetes Lokal hat nämlich noch geschlossen, er bereitet gerade alles für die Eröffnung vor. Aber er könne uns mit dem, was er vorrätig habe, verköstigen, zwinkert uns Mile zu. Das ist Oktopus und Fisch, denn Mile fährt nach wie vor täglich frühmorgens mit seinem kleinen Kutter hinaus, um die Netze auszubringen. Ob das passt für uns? Aber hallo! Während wir im Cockpit bei einem Sundowner den wunderbaren Segeltag Revue passieren lassen, heizt er den Griller an, seine Frau Zora, deren Deutsch einen eindeutigen Wiener Akzent hat, holt grünen Salat aus dem Garten hinterm Haus und bereitet die Salzkartoffel zu. Das improvisierte Mahl ist köstlich. Das Olivenöl kommt aus eigener Produktion, der leichte, rote Hauswein kalt ins Glas. Schöner könnte das Leben nicht sein.

Ein überaus entspannter Abend, der stellvertretend für den gesamten Törn steht. Wo immer wir hinsegeln, finden wir problemlos einen Liegeplatz und werden superfreundlich empfangen. In der Konoba Bain auf Zut serviert uns der 17-jährige Luka Seehecht in Pfeffersoße, wie ihn schon sein Urgroßvater zubereitet hat. Später erzählt er uns, dass die Familie heuer einen Salzwasserpool habe bauen wollen, die Corona-Krise diese Pläne aber zunichte gemacht hätte. Wir finden die Anlage auch ohne Pool sehr nett, auf einem halbkreisförmig aufgeschütteten Schotterstrand stehen bequeme Liegen unter großen, mit Palmwedeln gedeckten Sonnenschirmen für die Gäste bereit, die Toiletten sind nagelneu und blitzsauber.
Auch in der Konoba Tratinska auf Zirje, zu der Zimmer und ein Appartement gehören, werden wir von einem ganz jungen Burschen bedient. Am Vormittag folgt der 15-jährige Tomislav per Laptop dem Online-Unterricht, abends hilft er im Familienbetrieb; ohne Pandemie würde er zu dieser Jahreszeit in Split zur Schule gehen. Wir sitzen auf der gemauerten Terrasse, lassen uns deftige Cevapcici samt Ajvar und rotem Zwiebel schmecken und zwischendurch den Blick über die tief eingeschnittene Bucht schweifen. Rund zwanzig Bojen sind ausgelegt, nur zwei davon mit Segelyachten belegt.
Die Konoba Levrnaka an der Nordseite der gleichnamigen Insel hat bereits seit Mitte Mai und damit als eines der ersten Lokale der Region ihre Pforten geöffnet. Am T-Steg davor hätten 15 bis 20 Yachten Platz, bei unserem Besuch sind es gerade mal vier, die hier die Nacht verbringen. Das Lokal ist mit alten Holzblöcken, Seilwinden und Spieren liebevoll dekoriert, die Bar bestens bestückt, unser Tisch elegant gedeckt – ein beinahe urbaner Gegenentwurf zur rustikalen Atmosphäre der Vortage. Wir bestellen Steaks und schwarzes Risotto, als Vorspeise gibt es Haifisch-Filet in kleinen Stücken, die zuerst gebacken und dann mariniert werden. Kannten wir in dieser Form nicht, schmeckt hervorragend.

Den gesamten Törnbericht finden Sie in der Yachtrevue 7/2020, am Kiosk ab 3. Juli!

Der komplette Bericht als PDF-Download:

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