Moderne Zweiteiler
Segel-Anzüge der neuesten Generation sind angenehmer zu tragen denn je und schützen verlässlich vor Wind und Wetter. Möglich machen das extrem leichte, flexible Materialien sowie die Fortschritte der Textiltechnologie
Die erste Revolution fand vor rund 150 Jahren in Norwegen statt. 1877 gründete der Kapitän Helly Juell Hansen einen Betrieb, in dem die klassische baumwollene Arbeitskluft der Seeleute und Fischer – Jacken, Hosen und Südwester – in großem Stil mit Leinöl getränkt und auf diese Weise wind- und wasserdicht gemacht wurde. Die erste Outdoor-Bekleidungs-Fabrik der Welt war ein voller Erfolg: Bereits in den ersten fünf Jahren wurden über 10.000 Stück verkauft. Ab Mitte des 19. Jahrhunderts wurde das Leinöl von Kautschuk abgelöst, der Begriff „Ölzeug“ hielt sich aber bis in die Jetztzeit. So wie Helly Hansen: Das Unternehmen, das seinen Sitz nach wir vor in Norwegen hat, ist eine fixe Größe im Schi-, Berg- und Segelsport und hat unter anderem beim letzten Volvo Ocean Race das Damen-Team SCA ausgestattet.
Die nächste Glanzidee, die alles verändern sollte, verdankt die Welt einem US-Amerikaner aus Salt Lake City: Der Chemie-Ingenieur Robert W. Gore entdeckte 1969 eine Kunststoff-Membran, die Wassertropfen abhält, Dampfmoleküle aber durchlässt, und ließ diese unter der Marke Gore-Tex patentieren. In den folgenden Jahrzehnten eroberte „atmungsaktive“ Bekleidung den Markt und ist heute aus der Freiluft-Szene nicht mehr wegzudenken.
Auch im Segelsport geht ohne das Prinzip der Dampfdurchlässigkeit gar nichts mehr, so gut wie alle Zweiteiler aus den aktuellen Kollektionen der einschlägigen Hersteller sind atmungsaktiv und zwar unabhängig davon, für welchen Einsatzbereich sie designt wurden. Unterschiedlich ist allerdings das Ausmaß der Atmungsaktivität, das einerseits vom verwendeten System (siehe auch Kasten), andererseits von der Qualität des Materials abhängt. In den letzten Jahren hat die Textiltechnologie hier wesentliche Fortschritte gemacht. So weist beispielsweise das neueste Gore-Tex bei gleich hoher Dichtigkeit eine deutlich bessere Atmungsaktivität auf als alle Vorgänger-Generationen. Entscheidend weiterentwickelt wurden auch die Reißverschlüsse: Die neuen Modelle von YKK, dem größten Reißverschluss-Hersteller der Welt, sind, ebenfalls bei gleicher Dichtigkeit, weniger bockig, leichtgängiger und tragen damit das ihre zum verbesserten Tragekomfort moderner Segel-Anzüge bei.
Apropos Dichtigkeit: Diese wird bekanntlich in Millimeter Wassersäule angegeben. Rein rechtlich dürfen Hersteller ein Material, das einer Wassersäule von 1.500 mm standhält, bereits als „wasserdicht“ bezeichnen – ein Wert, der für Segler absolut inakzeptabel ist. Denn wenn man auf nassen Untergrund kniet oder sitzt, braucht es eine deutlich höhere Wasserdichte, nämlich mindestens 10.000 mm. Top-Zweiteiler können mit einem Wert von 20.000 mm und darüber dienen.