Rettung naht
Das Bauprojekt Mose soll mit seinen 78 Fluttoren die Lagunenstadt Venedig in Zukunft vor dem immer häufiger werdenden Hochwasser schützen
Wie lange wird es das Venedig, wie wir es kennen, noch geben? Horden von Touristen drängen sich das ganze Jahr über auf dem Markusplatz oder schieben sich durch die engen Gassen. Aggressive Industrieabwässer nagen an den in den schlammigen Grund der Lagune gerammten Pfählen, die den Dogenpalast, die Markuskirche, viele der Campanile und noch mehr Palazzi tragen. Und immer öfter warnt das Geheul der Sirenen vor Acqua Alta.
Acqua Alta ist mehr als das tidenbedingte Hochwasser, das auf bis zu 90 cm über Normalnull steigen kann. Acqua Alta bedeutet Sturmflut. Wenn bei tiefem Luftdruck stürmischer Scirocco das Wasser in die nördliche Adria drückt, kann der Pegelstand in der Lagune auf jene magischen 110 cm steigen, bei denen Hochwasseralarm ausgelöst wird. Bei 125 cm ist halb Venedig überflutet, ab 140 cm geht gar nichts mehr. Dann muss auch der Schiffsverkehr eingestellt werden, weil die Vaporetti nicht mehr unter den Brücken durchkommen.
Seit der Jahrtausendwende steht der Markusplatz immer häufiger unter Wasser, mittlerweile bis zu fünfzig Mal in den Spätherbst- und Wintermonaten. Schuld daran ist einerseits der um 12 cm gestiegene Meeresspiegel, andererseits sank Venedig gleichzeitig um 23 cm tiefer in den Lagunenboden. Die immer höheren Pegelstände bedrohen die Bauten in der Lagunenstadt massiv, daher machte man sich bereits 1984 erste Gedanken, wie das Weltkulturerbe zu retten sei. 1996 verabschiedete das Parlament in Rom das Hochwasserschutz-Projekt „Mose“, 2003 erfolgte der Spatenstich durch Silvio Berlusconi.
Mose steht für modulo sperimentale elettromeccanico sowie eine Bibelstelle (2. Buch Mose, Vers 15: Da sprach der Herr zu Mose: „Strecke deine Hand aus und erhebe deinen Stock über das Meer und spalte es“) und soll Venedig künftig davor bewahren, bei Acqua Alta überflutet zu werden. Zu diesem Zweck wurden 78 Fluttore in die drei Einfahrten zur Lagune von Venedig eingebaut: 18 in der Bocca di Chioggia, 19 in der Bocca di Malamocco und 41 in der Bocca di Lido. Wegen der großen Breite musste dort zusätzlich eine künstliche Insel geschaffen werden; sie teilt die Bocca in eine nördliche und südliche Einfahrt. Die Tore liegen bei normalen Wetterbedingungen geflutet in ihren mächtigen Betonfundamenten am Grund. Bei Hochwasserwarnung wird das Wasser mit Pressluft heraus gedrückt.