Zwischen Meer und Lagune
Das italienische Urlauberparadies an der oberen Adria war für Segler lange Zeit ein Revier der zweiten Wahl. Carl Victor kennt es seit vielen Jahren und ist überzeugt, dass es sich lohnt den Blick mit Zuversicht über den Bug richten
Es eilt die Zeit im Sauseschritt und eins, zwei, drei wir segeln mit. Es kommt mir vor, als wär’s erst gestern gewesen, als ich mein erstes Schiff in diesem Revier übernahm. Und doch sind schon 15 Jahre seit jenem Tag vergangen. So wie damals fegt auch heute die Bora mit einer solchen Vehemenz von den Bergen über Triest herab, dass mich ihre Böen wie betrunken über den Kai torkeln lassen. Eine Yacht erkämpft sich gerade den Weg in den Hafen. Der Skipper versucht erst gar nicht, sein Schiff in einen freien Platz nahe der Einfahrt zu zwängen; zu ungemütlich läge er dort. Auch den Yachtclub steuert er nicht an. Vielleicht hält man mit jenem „tutto privato!“, mit dem man uns damals von den Stegen scheuchte, auch heute noch Gäste fern. Dann verliert sich das Schiff im Mastengewirr. Vor 15 Jahren gab es noch viel freies Wasser im Hafenbecken. Heute ist alles zugeparkt. Volle Häfen, leere See. Nicht nur in diesem Teil der Adria ein Phänomen. Fühlen sich die Segler von Triest, der einstigen Metropole der Donaumonarchie, so stark angezogen, dass sie aufs Auslaufen vergessen? Das kann ich kaum glauben. Triest nimmt mich nicht gefangen. Mag sein, dass die Stadt Atmosphäre versprühte, als noch James Joyce, in Gedanken dem Ulysses nachhängend, durch die Straßen lief. Heute scheint es, als hätten Triests Paläste diese Zeiten nur überlebt, um mit ihren klassizistischen Fassaden jegliches in der Altstadt aufkeimende Flair zu erschlagen.
Ganz anders ergeht es mir mit Castello di Miramare, das nördlich von Triest in der Sonne schimmert. Es lohnt sich kaum Segel zu setzen, dazu ist der Schlag zu kurz. Gelbe Tonnen verbieten es immer noch, sich dem Traum von Erzherzog Maximilian, dem Bruder von Kaiser Franz Josef, zu nähern. Sie hatten uns damals veranlasst, es im kleinen Bootshafen des Schlosses zu versuchen. Doch dessen Schutz war uns – wenig freundlich – verwehrt worden. Auch daran hat sich nichts geändert. Nach wie vor muss man sich in Gringnanos nahem Hafen um einen Liegeplatz bemühen, erst dann lässt es sich auf den Spuren des unglücklichen Kaisers von Mexiko wandeln. Er verpasste die Fertigstellung seines Schlosses um vier Jahre, weil er vor ein Erschießungskommando treten musste. Kitsch und Tragik, so nahe beisammen wie nirgendwo sonst auf diesem Törn.
Wandern in den Wasserstraßen
Kaum eine Yacht, die entlang der Riviera Triestina weiter nach Monfalcone segelt. Dass die Industriestadt nicht attraktiv für Segler ist, lässt sich nachvollziehen. Aber der Weg dorthin hätte jede Menge zu bieten. Vor allem bei Duino, wo die von Burgen gekrönten Klippen steil zu Stränden mit beschaulichen bis mondänen Häfen abfallen. Dort könnte man knappe Segeltage kurzweilig ausklingen lassen. Doch kaum jemand lässt sich davon verführen, schließlich lockt schon Grado im Westen. Auch ich erliege immer wieder dieser Versuchung. Meist steuerte ich den Stadthafen der Lagunenstadt auf direktem Weg an und halte direkt im Herzen einer Stadt, die sich selbst so italienisch treu und dabei doch so kosmopolitisch geblieben ist. Daran haben die zahlreichen zusätzlichen Liegeplätze an der Nordmole sowie eine neue Marina nichts geändert. Grado sieht sich als Mutter Venedigs und Tochter Aquileias. Deren Basilika allein rechtfertigt schon den Nervenkitzel einer Fahrt durch die Kanäle der Lagune und den Fluss Natissa, hoch in die Marina di Aquileia.