Solaris 50
2016 siegte die Solaris 50 bei der Wahl zu Europas Yacht des Jahres, kürzlich lief die Nachfolgerin vom Stapel. Die spannende Frage lautet: Ist die Neue wirklich besser?
Die Italiener verstehen sich auf die Kunst der Inszenierung. Da die nautischen Messen aufgrund von Corona nicht stattfinden konnten, ging der Stapellauf der neuen Solaris 50 Ende April als Höhepunkt eines Kunden- und Testevents in der Marina Monfalcone unweit der Werft in Aquileia über die Bühne. Begrüßt wurden die Gäste von Hans Peter Steinacher, der seit Juni letzten Jahres als Manager der ehemals unter dem Namen Hannibal bekannten Marina fungiert und sie im Laufe der nächsten Jahre zu neuem Leben erwecken soll. Der Doppel-Olympiasieger, der im Vorjahr den Weltmeistertitel in der foilenden GC32-Klasse geholt und danach seine aktive Karriere beendet hatte, war auch an Bord, als die Yachtrevue zwei Wochen später die Solaris 50 bei Idealbedingungen testete und lieferte wertvollen Input.
Schwieriger Start
Doch zurück zum Stapellauf. Bei dem Event war Konstrukteur Javier Soto Acebal über eine riesige Leinwand live aus Argentinien zugeschaltet. Er sprach vor den versammelten Journalisten und geladenen Kunden ausführlich über sein jüngstes Projekt und beantwortete die Fragen der Medienvertreter. Die weniger fachkundigen Anwesenden verstanden möglicherweise über weite Strecken nur Bahnhof, tatsächlich waren die Ausführungen des weltbekannten Konstrukteurs hoch interessant. Vor sechs Jahren wurde die ebenfalls von ihm gezeichnete Solaris 50 von einer internationalen Jury, der auch die Yachtrevue angehörte, zu Europas Yacht des Jahres in der Kategorie Performance-Cruiser gewählt; ausschlaggebend dafür waren revolutionäres Design, tolle Segeleigenschaften und exzellente Verarbeitung. Die Genialität dieses Wurfs machte es dem Argentinier laut eigener Aussage schwer, eine neue 50-Fuß-Yacht zu zeichnen, und so dauerte es seine Zeit, bis die Ideen zu sprudeln begannen. Schließlich sollte es nicht nur Facelift sein – der Argentinier ist es gewohnt, den Takt vorzugeben und Entwicklungen im Yachtdesign voranzutreiben. Das Ausmaß, in dem ihm das mit der neuen Solaris 50 gelungen ist, hätte er zu Beginn der Arbeit selbst nicht erwartet, gestand er beim Online-Treff.
Frisch gedacht
Wie radikal die Neuentwicklung ist, zeigen schon die Dimensionen des Rumpfes. Die neue Solaris 50 ist mit einer Breite von 4,78 Meter um 23 Zentimeter breiter als die EYOTY-Siegerin aus 2016. Das ist eine Welt, wobei sowohl Heck- als auch Bugbereich noch voluminöser ausgefallen sind. Bei der Rumpflänge trennen die beiden 25 Zentimeter zugunsten der Neuen, bezüglich Wasserlinie sind es satte 42 Zentimeter und das, obwohl die alte 50er bereits über einen Wavepiercer-Bug verfügt. Die Kombination aus längerer Wasserlinie und mehr Breite vergrößert laut Soto Acebal die benetzte Fläche um 4 Prozent. Bei Leichtwind kostet das ein wenig dafür erhöht sich die Stabilität bei einer Krängung von 25 Grad um sage und schreibe 18 Prozent. In der Praxis wirkt sich das spürbar auf den Segelkomfort, das Handling bei Wind und die Geschwindigkeit aus. Die höheren Riggkräfte übernahm im Fall der Testyacht ein mit Karbonwanten versehener, am Kiel stehender Karbonmast. Eine kostspielige Option, die Hans Peter Steinacher während des Testsegelns in höchsten Tönen lobte. Großes Augenmerk legte Soto Acebal auch auf die Gewichtsverteilung. Er positionierte den Kiel, sprich den Gewichtsschwerpunkt, zur besseren Balance der Ruderblätter weit achtern und generierte damit zwei Vorteile: Der Steuermann profitiert vom wohldosierten Druck auch bei Starkwind und der Autopilot benötigt vergleichsweise wenig Energie.
Die Frage, ob der Rumpf in eine Formel hineinkonstruiert wurde, verneinte der Konstrukteur. Die ORC-Optimierung sei ihm ein Dorn im Auge, deshalb habe er diese nicht mit Nachdruck verfolgt. IRC mit asymmetrischen Vorsegeln gefalle ihm besser, so Acebal, aber prinzipiell kümmere er sich bei der Konstruktion in erster Line um gute Segeleigenschaften und weniger um gutes Rating.
Individuell gestylt
Einen eigenen Weg ging Soto-Acebal bei der Gestaltung von Rumpf, Deck und Cockpit, indem er eine Yacht mit sehr hohem Freibord, extrem breiten Seitendecks und einem niedrigen, weit innen ansetzenden Kajütaufbau schuf. Die auf diese Weise entstehende Silhouette, die stark von den großzügigen Flush-Decksflächen geprägt ist, rückt die 50er optisch in die Nähe von Superyachten. Auch am Rad stehend ist die Weitläufigkeit des offenen Cockpits atemberaubend. Das Konzept mit den fehlenden Seitendecks achtern hinter den Rädern und den davor positionierten Winschen funktioniert besser als auf der ähnlich gebauten Solaris 40. Bei der 50er konnte man mit den Rädern ein Stück weit nach innen rutschen, sodass man auch außerhalb der Räder über eine Stufe auf die Seitendecks gelangt und auf den davor positionierten Winschen reichlich Platz zum Trimmen vorfindet. Eine wahre Meisterleistung und zugleich das Alleinstellungsmerkmal in dieser Liga ist die wasserdichte Beibootgarage im Heck, in die ein Dingi längsseits hineinpasst, ohne dass der Raum in den Achterkajüten beeinträchtigt ist. Damit übertrifft die Solaris 50 sogar die 55er, in der das Dingi quer zur Mittschiffslinie verstaut werden muss. Vergleichsweise eine Kleinigkeit, aber echt smart ist der Dieseleinfüllstutzen, der sich nicht wie häufig zu sehen im Teakdeck sondern auf der Fußreling befindet. So kann der Treibstoff nicht auf das Teak tropfen – gut mitgedacht!
Klare Linie
Die Umsetzung des Performance-Cruiser-Konzepts erlaubt viele Spielarten. Bei aller Sportlichkeit legt Solaris großen Wert auf Design, Cockpit-Zonen, in denen Mitsegler von segelrelevanten Einrichtungen unbehelligt bleiben, und einfaches Handling. Das erfordert naturgemäß ein paar Kompromisse. So gibt es keine Genua, sondern eine Selbstwendefock mit gerader, im Deck versenkter Schiene, sämtliche Leinen werden unter Deck zu den Winschen vor den Rädern geführt, dazwischen befindet sich der Fußblock für die Großschot. Ein Traveller ist nicht einmal als Option erhältlich, im Regattamodus muss man daher an der Kreuz der Baum via Barberholer mittschiffs holen. Eine praktikable Methode, die ohnehin nur bei Leichtwind bis etwa 8 Knoten notwendig ist, aber auch ein klares Statement – diese Yacht will kein Racer sein. Im normalen Segelalltag fehlt der Traveller nicht, weil man seine Aufgaben dem kräftigen Niederholder übertragen kann.