Konrad und der Hooligan

Amtshandlung. Echte Fahrtensegler können es sich sogar in einer Gefängniszelle gemütlich machen

Konrad und der Hooligan

Ich liebe es, wenn ich nach einem meiner Segel-Kabarett-Abende folgenden Satzbeginn höre: „Dein G’schichterl ist zwar ganz nett, aber das is‘ ja noch gar nichts ...“ Manche Storys kann man weder selber erleben noch erfinden. Zum Beispiel jene vom Katastrophen-Konrad, die mir neulich in Oberösterreich zu Ohren kam.

Konrad musste jobbedingt früher als geplant von einem Ägäis-Törn heimfliegen. Abends stellte er am Flughafen Venizelos fest, dass sein Flug von Freitag 23 auf Samstag 9 Uhr verschoben worden war. Hotels ausgebucht oder unerreichbar; zu müde für eine Taxifahrt nach Athen. Nachdem er eine Woche mit einem schnarchenden Riesen die Kabine geteilt hatte, hielt sich auch sein Verlangen nach einem Flughafen-Sessel in Grenzen.

Aus Ratlosigkeit fragte Konrad einen Polizisten mit Segelboot-Tattoo, ob er ihm helfen könne. „Kann dir Zelle anbieten“, scherzte jener. Aber sowas macht man nicht mit Konrad! Der nimmt alle beim Wort. Das ist einer der Gründe, warum er Katastrophen anzieht wie der Fischkutter einen Möwenschwarm.

Auf der Fahrt zum Wachzimmer erzählte der Polizist, dass er Dockarbeiter in Bremerhaven gewesen sei. Und was er als Segler selbst so alles erlebt habe. Konrad unterbrach ihn ständig mit dem Halbsatz: „... das is‘ ja gar nichts...“, weil er jede Abenteuergeschichte mit einer wesentlich schlimmeren Katastrophe zu toppen wusste.

Vielleicht entsprangen die nun folgenden Ereignisse dem Zufall, vielleicht waren sie des Polizisten Rache für Konrads verbales Feuerwerk. Der Beamte steckte Konrad in eine halbwegs gemütliche Gefängniszelle mit Meerblick, ließ die Gittertür offen und begab sich wieder auf Streife.

In den frühen Morgenstunden dürfte es dann zu einem längeren Einsatz gekommen sein. Jedenfalls betrat ein anderer Kollege ohne jegliche Fremdsprachenkenntnisse die Polizeistation. Vom Typ her kein Inspektor Columbo, sondern eher ein dumpfer Hooligan vom Fußball-Klub Olympiakos Piräus. Der murmelte etwas Unverständliches, offenbar über die Nachlässigkeit seines Kollegen, zerrte Konrads Tasche aus der Zelle und sperrte drei Mal zu. Konrad verfolgte das Geschehen im Halbschlaf, bat um seine Tasche und einen Transfer zurück zum Flughafen. Daraufhin verschwand der Hooligan grußlos.

Eine Stunde später kehrte er mit einer jungen Kollegin zurück. Nun durfte Konrad einem rudimentär Englisch sprechenden Wesen seine Wünsche vorbeten. Sie übersetzte diese dem Kollegen, worauf beide Organe in einen schallenden Lachkrampf verfielen. Nicht etwa, weil sie die Story für lustig hielten. Sondern weil sie Konrad kein einziges Wort glaubten.

Im Laufe des Vormittags schauten immer wieder Kollegen vorbei und brüllten vor Lachen, wenn ihnen der Hooligan wie ein untalentierter Komödiant die Flughafen-Posse vorspielte. Eine weitere Nacht später erschien der höherrangige Polizist, der 48 Stunden zuvor dem Konrad die beste Zelle angeboten hatte, packte den etwas beschränkten Bühnenhelden am Hemdkragen, schrie ihn minutenlang an und schüttelte ihn dabei dermaßen kräftig durch, dass die Polizeimütze wie eine abgesprungene Radkappe durch die Wachstube tanzte. Danach sah der Oscar-Kandidat aus wie Jack Nicholson, nach dem Elektroschock in „Einer flog über das Kuckucksnest“.

Die beiden Beamten kredenzten griechischen Kaffee und Grießpudding, chauffierten Konrad zurück zum Flughafen, kümmerten sich um die kostenlose Umbuchung seines Fluges und verabschiedeten sich winkend am Gate.

Montag wurde der Sträfling in Wien/Schwechat ebenfalls winkend empfangen. Und zwar von jener Crew, die er 72 Stunden zuvor frühzeitig verlassen hatte. Sechs Mann, nicht im Ölzeug. Im Smoking, mit dunklen Sonnenbrillen und einem Brotlaib, in dem eine Feile versteckt war.

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