Hassobjekt
Ich liebe Segeln. Aber ich hasse Wasser. Genau genommen: unfreiwillig ins Wasser fallen, präziser: Kentern. Klar, unangenehm ist in unserem Sport vieles – von A wie Außenborder beim Dingi reparieren bis Z wie Zusammenpacken im Regen. Kentern aber ist ganz oben auf meiner kurzen Liste echter seglerischer Hassobjekte. (Knapp gefolgt vom Reinfummeln der Splintringe in kleine Bolzen bei nasskaltem Wetter mit klammen Fingern übrigens).
Jahrelange Analysearbeit auf der Couch (na ja, Wohnzimmercouch) hat keine Aufklärung über die tieferen Ursachen gebracht. Ist es das mich verfolgende Foto im Familienalbum, auf dem mein Vater – Gott hab‘ ihn selig – in einer Mischung aus Stolz und Verachtung einen mangels Auftriebskörpern bis zum Deck untergegangenen Piraten durch den Neusiedler Schlamm zieht, für mich der ultimative Ausdruck von Kontrollverlust? Basiert das auf meiner Neusiedler Prägung, in der Kentern praktisch immer gleichbedeutend ist mit Boot und Segel stundenlang putzen und den Schlamm aus verborgenen Hohlräumen schwemmen, Stander zerstören und oft auch Mast verbiegen? Liegt der Grund in der Sichtweise, Kentern sei handfester Beweis seglerischer Unzulänglichkeit? Liegt die Wurzel in der quälenden Nasse-Sack-Erfahrung, vom Felgaufschwung über Seilklettern bis hin zum Reinquälen ins halbvolle Boot in unzähligen Variationen seit meiner Kinderzeit präsent, die das körperliche Ungenügen so drastisch exemplifiziert? Buchstäblich kein Land in Sicht bei der Aufarbeitung.
Wie habe ich sie immer schon bewundert, die virtuosen Kenterkünstler und Wiederaufsteller. Egal wie sie stürzen, sie sind ganz schnell buchstäblich oben auf und haben ihr Bein schon wieder in der Plicht, da ist der Mast noch nicht einmal aus dem Wasser. Federleicht schweben sie scheinbar mühelos in die korrekte Position und berichten an Land nicht von Niederlage, sondern von aufregender Erfahrung.
Ich dagegen – ein normal Sterblicher, der wieder einmal im Wasser liegt, sich mühsam hochwuchtet und irgendwie weiter wurstelt. Ich hasse es …