O tempora, o mores?
Szene 1: OeSV-Generalversammlung im BLZ Neusiedl; die Spitzen der österreichischen Segelclubs schaffen am Vereinstag wichtige formale Rahmenbedingungen. Adjustierung der Männer: kaum Blazer, eine einzige Krawatte. Szene 2: Generalversammlung des Europäischen Segelverbands in Ungarn; Vertretungspersonen der nationalen Segelverbände besprechen die Zukunft des Segelsports in Europa. Adjustierung der Männer: vereinzelt Blazer, vereinzelt Krawatte.
Noch vor rund eineinhalb Dekaden gehörten Blazer und Krawatte zum Standard bei solchen Veranstaltungen. Das ist jetzt anders. So weit, so klar. Aber was zeigt das an: Schlimmer geht immer? Zeitenwende?
Eine Interpretation weist auf gesamtgesellschaftliche Trends hin. Banken lockern bis in höchste Ebenen die Kleiderordnung, hochrangige Mitglieder erfolgreicher Unternehmen wie Google oder Facebook treten in T-Shirt und Baggy Pants auf. Zudem ist mit den beiden letzten OeSV-Spitzen Herbert Houf und Dieter Schneider ein neuer Präsidententypus aufgetaucht, der Respekt vor Tradition mit der Bereitschaft zu Innovation und zum Über-Bord-Werfen alter Hüte kombiniert. Ähnliches scheint zum Teil auch auf Clubebene zu passieren. Kein Wunder, angesichts der aktuellen Situation. Phänomene wie Überalterung, Notwendigkeit der Gewinnung junger Menschen und Frauen für den Sport oder erforderliche Öffnung der Clubs nach außen machen deutlich: Es braucht frischen Wind, laterales Denken jenseits eingefahrener Bahnen, mutiges Handeln und ein in Teilen neues Auftreten des Sports nach innen und außen. Dass sich da auch bei der Kleidung etwas ändert, ist vermutlich nur folgerichtig.
Trotzdem ein Sittenverfall? Vielleicht, aber wohl eher: tempora mutantur, nos et mutamur in illis…2
O tempora, o mores? Lat. sinngemäß ‚O welche Zeiten, o welche Sitten‘, also ein Beklagen des Verfalls der Sitten
2 Lat. sinngemäß ‚Die Zeiten ändern sich, und wir werden mit ihnen verändert‘