Rückhaltlose Liebe
Die 30-jährige Lisa Berger will 2023 als erste Österreicherin am Minitransat teilnehmen. Der Weg dorthin ist weit und steinig, die Hartnäckigkeit, mit der sie ihr Ziel verfolgt, beeindruckend
Im Frühjahr 2019 postet ein 56-jähriger Däne auf Facebook, dass er dringend einen Co-Skipper für das Baltic 500 sucht. Die neue Double-handed-Langstreckenregatta mit Start und Ziel im deutschen Strande soll die Teilnehmer über 500 Meilen durch die Ostsee führen, bei dem Schiff, das er anzubieten hat, handelt es sich um eine Pogo 2, also ein Boot mit einer Länge von gerade mal sechseinhalb Metern. Die Kombi ist einigermaßen herausfordernd; wer soll sich da schon auf die Schnelle melden.
Es meldet sich eine junge Österreicherin. Sie heißt Lisa Berger, hat den Post zufällig gelesen und Claus Pedersen sofort angeschrieben. Mini-Erfahrung kann sie nicht vorweisen, nur Begeisterung und Leidenschaft für diese spezielle Form des Segelsports. Mails gehen hin und her, dann steht fest: Pedersen und Berger werden dieses Rennen gemeinsam in Angriff nehmen; sie als einzige Österreicherin im Feld überhaupt. Die beiden lernen sich in einer Art Blind Date am Steg von Strande kennen, können vor dem Start nicht mehr als einen kurzen Probeschlag absolvieren und beenden die Regatta als Vierte der Classe Mini. Ein bemerkenswerter Überraschungserfolg.
Und ein Impuls, der das Leben von Lisa Berger in neue Bahnen lenkt. Die freiheitsliebende Andersdenkerin ist vom Mini angefixt, seit sie auf den Kanaren erstmals so ein Boot gesehen hat, aber jetzt weiß sie: Das und nichts anderes. Das Baltic 500 ist ihr Ritterschlag in der Szene, einer der Organisatoren lädt sie zur deutschen Double-handed-Meisterschaft ein, die im Rahmen der Travemünder Woche stattfindet. Dort kommt die damals 29-Jährige in Kontakt mit der L30-Klasse. Auf diesem One-Design-Kielboot mit Gennaker, das aus der Feder des 49er-Olymioniken Rodion Luka stammt, wird im Oktober 2019 die erste Double-handed Mixed Offshore Europameisterschaft gesegelt; eine Disziplin, die 2024 zu olympischen Ehren kommen soll. Berger möchte unbedingt daran teilnehmen und treibt einen Partner auf, der besser nicht passen könnte: Christian Kargl ist eine fixe Größe in der heimischen Offshore-Szene, bereitet sich auf das Minitransat 2021 vor und sagt spontan zu, als er von Berger für diese EM angefragt wird. Der Kurs führt nonstop von Venedig über Susak nach Triest; ein Revier, das Kargl bestens kennt. Sein Knowhow und ihre Entschlossenheit ergänzen sich famos – nach 170 Meilen und etwas mehr als 36 Stunden kreuzt das heimische Gespann vor allen anderen die Ziellinie und darf über den Europameistertitel jubeln. Die Öffentlichkeit staunt und applaudiert.
Nun gibt es für Berger kein Halten. Sie will mehr. Sie will 2023 als erste Österreicherin am Minitransat teilnehmen. Mit Christian Kargl hat sie einen Mentor, der an sie glaubt und sie in ihrem Tun unterstützt.