Schnäuzlmausi, Schniedlbärli, Schnurlimurli

Neues Jahr, neues Glück. Das ist auch dringend notwendig, bevor auf dem Festland alles aus dem Ruder läuft.

Schnäuzlmausi, Schniedlbärli, Schnurlimurli

An sich hat es sich um eine ganz banale Frage gehandelt: „Kara, mein Schnäuzlmausi, wann gibt’s Essen?“ Leider heißt meine Frau Kathi. Seit einer Woche koch‘ ich jetzt selber. Kara ist nur unwesentlich jünger und viel dicker als Kathi. Dafür hat Kathi deutlich mehr Tiefgang. Für einen Menschen ist das ein Kompliment, für ein Boot am Neusiedler See nicht. Ich würde aber lieber meine Zunge verschlucken, bevor ich diesen Vergleich auch nur andeute.

Derzeit versteht Kathi überhaupt keinen Spaß mehr. Sie ist auf ein Boot eifersüchtig. Damit will sie unbedingt alleine fertig werden – ohne professionelle Hilfe. Obwohl ich zwanzig Mal pro Tag meine bedingungslose Kapitulation unterzeichne, meine grenzenlose Unaufmerksamkeit zutiefst bereue und meine variantenreichen Entschuldigungen auffrische: „Ich schwör‘ dir, es gibt nur diese eine Kara!“ Selbige liegt in der Bootsgarage in Rust und schweigt. Kathi schweigt auch und verweigert existenzielle Aktivitäten.

Die Sehnsucht nach einer ordentlichen Mahlzeit wächst. Ich beherrsche ja nur die lukullischen Pflichtübungen eines durchschnittlichen Skippers: Ham and Eggs mit Zwiebel, Tunfisch-Spaghetti, Ham and Eggs ohne Zwiebel. Pizza kann ich mir auch keine bestellen. Die Pizzeria heißt „Maria“. Da ist die nächste Katastrophe vorprogrammiert. Schlimmstenfalls muss ich zu Kara in die Bootsgarage ziehen. Mein Alkoholspiegel wäre womöglich nach wenigen Stunden höher als der Wasserstand des Neusiedler Sees.

Ein schwacher Trost: In der Zoom-, Skype- und Homeoffice-Epoche bin ich nicht der einzige Mensch, der zu verbalen Fehlleistungen neigt. Die Sehnsucht nach Schiffen aller Art, nach dem Meer, von mir aus auch nach dem Neusiedler See wächst von Minute zu Minute und beeinträchtigt die Konzentration. Tagträume fördern unbedachte Wortmeldungen und Handlungen. Zum Beispiel bei meinem Segelfreund Charly. Er war von seiner Frau gebeten worden, den Mistkübel auszuleeren. Eine Stunde später kehrte er heim. Mit einem Karton Katzenfutter aus dem Supermarkt. „Schniedlbärli, wir haben keine Katze“, begrüßte ihn seine besorgte Frau. „Und zieh bitte das Ölzeug aus. Es scheint die Sonne.“

Neulich habe ich bei einer Charterfirma angerufen, um in diesen ungewissen Zeiten wenigstens einen Törn zu planen. Man wird ja noch träumen dürfen! Die freundliche, aber sehr gelangweilte Dame begrüßte mich am Bildschirm mit den Worten: „Schnurlimurli, lass dich ein bissi vom Frauli krauli!“ Nein, ich hatte NICHT 666 – dreimal die 9 – 666 gewählt. Trotzdem! Stellen Sie sich bitte vor, Kathi wäre genau in diesem Augenblick in mein Homeoffice spaziert! Meine wahrheitsgetreue Erklärung hätte mir ganz sicher einen Zwangsaufenthalt in der Bootsgarage beschert: „Ich schwör‘ dir, bei der Dame ist gerade eine Tigerkatze über die Tastatur gelaufen!“

Das Jahr 2020 hat auch das Leben von uns Seglern unterschiedlich stark beeinträchtigt. Dieser Umstand wirft für 2021 ein paar Fragen auf: Muss ich in Zukunft bei jedem Törn die gelbe Quebec-Flagge („An Bord sind alle gesund!“) setzen? Übrigens: Die Kombination Quebec-Lima bedeutet: „Ich bin verseucht!“ Hat die Corona-Impfung vielleicht sogar die angenehme Nebenwirkung, dass sie vor Seekrankheit schützt? Werden findige Nautik-Shops demnächst Riesen-Fender in Form von Baby-Elefanten anbieten? Und wenn: Gibt es diese in Rosa? Kann man den durch Corona oft verursachten Geschmacksverlust auch künstlich herbeiführen, falls sich der Smutje als hoffnungsloser Dilettant entpuppt?

Offene Fragen, wohin das Auge reicht. Darum ist es auch vollkommen sinnlos, eine Liste mit guten Vorsätzen für das neue Jahr anzulegen. Aber eines weiß ich schon jetzt. Und zwar so sicher wie das Amen im Gebet: Sollte ich jemals wieder ein Segelboot kaufen, ich werde ihm ganz bestimmt keinen Frauennamen geben. Eher nenn‘ ich es „Titanic“. Auf dem Neusiedler See wär‘ das völlig unbedenklich.

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