Nicht von dieser Welt
Dubrovnik und die süddalmatinischen Inseln gehören zu den beliebtesten Reisezielen im Mittelmeer. Wer wie Verena Diethelm am Ende der Corona-Saison dort unterwegs war, erlebte selbst die touristischen Hotspots ursprünglich und unverfälscht
Welche Begrüßungsworte hört man vom Stützpunktleiter der Charterbasis nicht so gerne? Genau. "Bevor ihr gekommen seid, war das Wetter ein Traum. Letzte Woche hatten wir noch über 30 Grad." Davon kann jetzt keine Rede mehr sein. Es schüttet wie aus Kübeln und die Temperaturen sind so niedrig, dass unser Atem in den Nebelschwaden aufgeht. "Sonst ist es nicht so kalt", wundert sich auch der Stützpunktleiter. Noch größer ist nur seine Verwunderung über meine Frage nach der Dieselheizung an Bord: "Heizung? Brauchen wir hier nicht. Wir sind in Süddalmatien!".
Stimmt, fast hätte ich es vergessen. Nach einer durch und durch verkorksten Saison, in der ich alle meine Segelpläne Pandemie-bedingt über den Haufen werfen musste, bin ich froh, dass ich es nun, Ende September, doch noch an die Adria geschafft habe. Auf einer Dufour 460 GL von Dream Yacht Charter geht es von Dubrovnik aus eine Woche lang durch die süddalmatische Inselwelt – eine Gegend, in der ich das letzte Mal als sechsjähriges Kind unterwegs war. Und die ich nun ohne Trubel und ohne das Verlassen der touristischen Trampelpfade neu entdecken kann.
Wir nehmen den Schlechtwettereinbruch also gelassen und nutzen den Hafentag für eine Erkundungstour der Altstadt von Dubrovnik, die über so viele Attraktionen verfügt, dass sie eigentlich eine einzige, große Sehenswürdigkeit ist. So einer Stadt nähert man sich am besten aus der Vogelperspektive. Da die Seilbahn, die 1969 errichtet wurde und die erste ihrer Art in der Adria war, wegen des starken Südwinds geschlossen ist, winden wir uns mit dem Auto die Serpentinen bis zum Gipfel des 412 Meter hohen Dubrovniker Hausbergs Srd hinauf. Dort erwartet uns nicht nur ein Fort aus Zeiten Napoleons, sondern auch das Terrassen-Restaurant Panorama, das seinem Namen mehr als gerecht wird. Von hier oben wirken die kleinen, roten Dächer und die kleinen, weißen Boote im alten Hafen wie Spielzeug. Die endlose Weite des Meeres, das silbern in der Sonne glitzert, verstärkt diesen Eindruck. Für diesen zweifelsohne grandiosen Ausblick zahlt man im Panorama mit. Ein kleines Bier schlägt mit 44 Kuna (fast sechs Euro) zu Buche.
Reale Fantasiewelt
Vor Corona hatte das UNESCO-Weltkulturerbe Dubrovnik mit einem Massenansturm an Touristen zu kämpfen. Der historische Kern der früheren Republik Ragusa, der nicht viel mehr als 400 mal 300 Meter misst, wurde zu Spitzenzeiten von bis zu 26.000 Tagesgästen gestürmt. Dazu trugen vor allem die Passagiere der Kreuzfahrtschiffe bei, von denen manchmal sieben auf einmal vor der Stadt ankerten, Jetzt ist es nur noch ein Bruchteil davon. Auf der offiziellen Webseite dubrovnik-visitors.hr wurden am Tag unserer Sightseeing-Tour gerade mal um die 2.000 Besucher gezählt.
Nach dem obligatorischen Spaziergang über die Hauptflaniermeile Stradun, die die Grenze zwischen der einstigen Insel und dem Festland markieren soll, geht es am westlichen Ende des Straduns beim Pile-Tor auf die 1.940 Meter lange Stadtmauer, für deren Besichtigung ein Eintritt von 200 Kuna (rund 26,5 Euro) fällig wird. Der Blick aufs aufgewühlte Meer ist spektakulär. Der Jugo schiebt imposante Wolkenformationen vor sich her und jagt ungebremst Wellenberge gegen Stadtmauer und Felsen, wo sie brodelnd und zischend zerschellen. Ich muss an dieser Stelle zugeben, noch nie eine Folge der Fantasy-TV-Serie Games of Thrones, die Dubrovnik als Königsmund zu weltweiter Bekanntheit verholfen hat, gesehen zu haben, aber das gesamte Setting wirkt tatsächlich nicht wie von dieser Welt und es würde mich nicht wundern, wenn ein Drache um die Ecke geflogen käme.
Am nächsten Tag scheint sich das Wetter einigermaßen beruhigt zu haben und wir werfen die Leinen los. Wie ein Fjord windet sich die Ombla, an dessen Ufer nicht nur der ACI seine Marina, sondern auch Dubrovniker Adelsfamilien ihre Sommerresidenzen errichteten, zum Meer hin.