Tauschen und Teilen
Der Segelevent-Spezialist Suntours bietet eine FB-II-Ausbildung der besonderen Art. Bezahlt wird nicht mit Geld sondern durch sechswöchige Tätigkeit als Skipper
Ist heute Donnerstag? Ja? Dann muss das Stari Grad sein. Der initiale Kaffee-Download ist erfolgreich abgeschlossen. Jetzt kann ich mein Hirn hochfahren. Am Heck stehend sehe ich versonnen der Quietschente zu, die schon zum dritten Mal an diesem Morgen am Heck meiner Yacht vorbeischwimmt, dicht gefolgt von einem benützten Präservativ und einer halbe Wassermelone.
Das Zeugs driftet mit erstaunlichen zwei, drei Knoten Richtung Hafenausfahrt, 20 Minuten später zurück Richtung Stadt und nach kurzer Pause wieder hinaus zum Meer. Synchron dazu schwankt der Wasserstand jedes Mal um einen guten halben Meter. Spannender Platz, dieses Stari Grad.
Rundherum werden Motoren angelassen, Strom- und Wasseranschlüsse eingeholt und Passerellas verstaut. In einer knappen Stunde sollen 60 TurnOn-Yachten den Hafen von Stari Grad verlassen haben. Bei ein paar Knoten Strom. Aus wechselnder Richtung, aber immer quer zum Liegeplatz. Und verschärft durch böigen Seitenwind. Na dann, Kinder. Zeigt mal, was ihr gelernt habt. Wozu habt ihr die einzige Segelschule besucht, die man durch ein Assessment Center betritt?
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Tatsächlich: Pro Jahr bewerben sich mehr als hundert junge, ambitionierte Menschen um die Aufnahme in die TurnOn Skipperakademie. Sie folgen einem Angebot, das man als Präkariatsstudent mit Sehnsucht nach Sonne und Meer unmöglich ablehnen kann: Eine komplette österreichische FB II Ausbildung inklusive aller Gebühren und Prüfungstaxen, die dich keinen Cent kostet. Du musst lediglich danach sechs Wochen als Skipper bei einer Maturareise unter Segeln arbeiten.
Durchschnittlich 70 Bewerberinnen und Bewerber werden als talentiert genug beurteilt, um zum Eignungstest ins Assessment Center geladen zu werden. In der Saison 2014/15 sind 18 tatsächlich in die Ausbildung gegangen, 14 schieden nicht wegen Nervenzusammenbruchs, Erfrierungen oder Ertrinkungstod aus, sondern schlossen mit einem kostenlosen FB-II-Schein ab. Jetzt geben sie ihr Debüt als Yachtskipper.
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Ich rühre im zweiten Kaffee und schaue Hafenkino. Auffallend, wie häufig ausgerechnet in Ehren ergraute Skipper-Urgesteine an der Materie scheitern. Fast alle Altspatzen schauen gewohnheitsmäßig hinauf ins Rigg und nach dem Wind. Der beträchtliche Strom unter ihren Füßen fällt nur den Feinfühligen auf. Entsprechend schief gehen die Manöver. Ein rundes Dutzend spielt synchron „Hangover I – IV“, „Fast and Furious: Tokyo Drift“ und „Fessle mich!“ Ein in Teilen Österreichs weltbekannter Segelguru lehnt mit hochrotem Kopf über der Bugreling und hypnotisiert die Muring-Führungsleine, die als Knäuel in seinem Bugstrahl-Propeller steckt. Nein, Namen tun nichts zur Sache.
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TurnOn, die Maturareise auf dem Wasser, begann um die Jahrtausendwende als experimentale Event-Improvisation, durchlebte eine turbulente Pubertät als besegelter Flashmob und hat sich nach einem Eigentümer- und Führungswechsel zu Beginn des Jahrzehnts als vollprofessionelle Großveranstaltung mehr oder weniger neu erfunden. In den letzten vier Jahren haben sich die Teilnehmerzahlen beinahe verdoppelt. Dem weiteren Wachstum steht nichts im Weg – außer der flagrante Mangel an geeigneten Skipperpersönlichkeiten.