Niklaus ist ein guter Mann
Türkei: An der lykischen Küste, der Heimat des Heiligen Nikolaus, kommt jeder auf seine Rechnung. Dem Kulturfan werden antike Theater geboten, auf den Naturliebhaber warten Pinienwälder, den Buchtenbummler sprechen kurze Distanzen an. Und der Meltemi verwöhnt auch anspruchsvolle Segler.
Echte Emotion oder gelungene Schauspielerei? Schwer zu sagen. Die Wiedersehensfreude scheint jedenfalls groß zu sein, als wir in die Coldwater Bay einlaufen. Wie schon vor fünf Jahren werden wir beim Einlaufen in die tief eingeschnittene Bucht von kleinen Booten umschwärmt – eine Damen-Crew sorgt immer für Aufsehen. Der schwimmende Händler George erkennt uns wieder und schenkt uns zu den teuren Cornettos frisches Brot und Eiswürfel für die Bord-Bar.
Ja, wir sind Wiederholungstäter. Unser erster Törn entlang der lykischen Küste hinterließ einen tiefen Eindruck, duftende Pinienwäldern, türkisblaue Buchten, kulinarische Genüsse und freundliche Menschen weckten den Wunsch nach Wiederkehr. Diesmal brechen wir nicht von Göcek aus Richtung Kaunos und Dalyan Mündung auf, nun zieht es uns in den Osten. Die Coldwater Bay, auch als Bestas Limas bekannt, ist daher nicht krönender Abschluss, sondern vielversprechender Beginn unserer Reise.
Dank der unterirdischen Kaltwasserquellen, die der Bucht den Namen geben, lässt sich die Hitze an diesem windstillen Septembernachmittag gut aushalten. Schwer zu ertragen sind hingegen die Gulets, die im Halbstundentakt auftauchen und mit immer gleicher Musik die Bucht beschallen. Die unter lautem Gejohle von den Klippen springenden Burschen machen es nicht besser.
Gegen Abend kehrt Ruhe ein und wir nehmen den fünfminütigen Fußmarsch zu Ali Tunas Restaurant, das oberhalb der nun friedlichen Bucht thront, in Angriff. Für mehr reicht die Motivation nicht, auch wenn uns der Besuch des rund eine Stunde entfernten Ruinendorfes Kayaköy schmackhaft gemacht wird. 1923 wurden die griechischen Einwohner nach dem Vertrag von Lausanne umgesiedelt, zurück blieb eine Geisterstadt, die heute Museumscharakter aufweist.
Unsere Rückkehr hat sich auch zu Wirt Ali herumgesprochen, prompt lädt er uns zu einem Frühstück am nächsten Tag ein. So gehen wir den Morgen gestärkt, aber ruhig an und trödeln ein wenig in der Belcegiz Bucht herum. Es gibt ja auch einiges zu sehen: Die Schmetterlingsbucht (Kelebek Vadisi) mit ihrer einzigartigen Fauna und Flora oder Ölü Deniz, den unangefochtenen Star unter den türkischen Stränden und beliebtes Motiv der Tourismuswerbung. Wir umrunden die Insel Gemiler, die zu Ehren des Bischofs von Myra früher Nikolaus Insel hieß. Jener Mann, dessen Namenstag am 6. Dezember gefeiert wird und der vermutlich das historische Vorbild für unseren Nikolo war, lebte um 330 genau in unserem Fahrtgebiet zwischen dem Golf von Fethiye und dem Golf von Antalya. Zu seinen Ehren wurde auf Gemiler im Mittelalter eine Pilgerstadt und eine Kirche errichtet, deren Überreste man sogar vom Wasser aus gut erkennen kann.
Aufpasser
Der Heilige Nikolaus ist bekanntlich auch der Schutzpatron der Seefahrer. Auf den nächsten 30 Seemeilen, die keinen schützenden Ankerplatz bieten, sind wir aber nicht auf seine Hilfe angewiesen. Es weht nur ein laues Lüftchen und die für ihre unangenehmen Kreuzseen berüchtigte Küste der Yedi Burunlar, sieben Kaps, präsentiert sich handzahm. Sieben Kaps? Tatsächlich? So sehr ich mich auch bemühe und alle Vorsprünge zu zählen versuche, ich komme nur auf sechs.
Da wir am Vormittag zu viel Zeit liegen lassen haben, muss die geplante Badepause zwischen dem letzten Kap Ince Burun und dem Inselchen Oezlen leider ausfallen. Schade, der dort beginnende 15 Kilometer lange Sandstrand gilt als Highlight auf der Strecke nach Kas. An seinem östlichen Ende geht er in eine wilde Dünenlandschaft über. Im Hinterland befinden sich die von den Dünen verschluckten Überreste der lykischen Hafenstadt Patara, die nicht nur Geburtsort des heiligen Nikolaus ist, sondern auch das berühmte Orakel des Apollon beherbergt haben soll. Der Stadthafen von Kas ist dafür bekannt, mit Gulets gesteckt voll und laut zu sein. Wir ziehen einen ruhigeren Liegeplatz vor und steuern die 2011 fertiggestellte Marina Kas an. Sicher und idyllisch in eine tief eingeschnittene Bucht eingebettet liegt sie auf der Rückseite von Kas und bietet 450 Liegeplätze. Hinter den Stegen ragen die Ausläufer des Taurus-Massivs in luftige Höhen. Vom Cockpit aus lassen sich bunte Gleitschirme beobachten, die wie Schmetterlinge zwischen den Gipfeln des Gebirges tanzen.
Zu Fuß benötigt man ins Stadtzentrum rund 25 Minuten, mit dem Taxi sind es nur fünf. Die Füße vertreten wir uns lieber in den Gässchen, die sich, gesäumt von Souvenirläden, Cafes und Bars, den Hang hinaufschlängeln. Wir betrachten farbenfrohe Teppiche, Kunsthandwerk aller Art, Schmuck und Keramik – und stehen plötzlich überrascht vor einem lykischen Steinsarg. Der auf das 4. Jahrhundert vor Christus zurückgehende Königssarkophag ist das Wahrzeichen von Kas. Hier begegnet man der Geschichte buchstäblich an jeder Ecke.
Outsourcing
Kastelorizo ist die am weitest östlich gelegene Insel Griechenlands – ein einsamer Außenposten, 85 Seemeilen von der nächsten griechischen Insel, aber nur eine Meile vom türkischen Festland entfernt. Wir biegen gerade um die Nordspitze der Insel, als der Meltemi mit einem Schlag aus seinem bereits zwei Tage dauernden Schlaf erwacht und giftige Böen den Bergrücken hinunterschickt. Wir beschließen umzukehren und Kurs auf Kalkan zu nehmen. Wer weiß, wofür es gut ist. Im Vorfeld waren nur widersprüchliche Informationen über die nötigen Einreiseformalitäten zu erhalten. Während die Sunsail-Stützpunktleiterin versicherte, dass man lediglich die Gastlandflagge zu wechseln brauche, warnten andere Insider davor, den Grenzübertritt auf die leichte Schulter zu nehmen. Die sich verschlechternde Sicherheitslage in der Türkei und der Flüchtlingsstrom aus den Krisengebieten in Nahost hätten die Behörden dazu bewegt, wieder die gesamte Einklarierungsprozedur durchzuziehen.