Flucht in die Karibik

Ich war der, der noch nie dort war. Aber das ist jetzt anders

Flucht in die Karibik

Februar im kalten, grauen, nebeligen Wien. Ich sitz’ fröstelnd daheim am Schreibtisch, aktualisiere meine Törn-Statistik und stecke kleine, bunte Nadeln in eine Weltkarte. Nicht zum ersten Mal fällt mir ein großer blauer Fleck auf, in dem keine einzige Nadel steckt: Die Karibik. Unangenehm. Es ist nämlich so, dass jeder, und zwar tatsächlich absolut jeder, schon einmal in der Karibik war. Nur ich nicht.
Also segle ich mit dem Finger auf der Seekarte vom Hotspot Cartagena bis Key West, von Havanna nach Barbados, von Tobago nach Tortuga, von Aruba nach Jamaika, von den Cayman Inseln nach Turks & Caicos …
Irgendwo zwischen Nassau und St. Kitts & Nevis muss ich mit der Stirn auf der Schreibtischplatte gelandet sein. Und begann einen im wahrsten Sinne des Wortes traumhaften Karibik-Törn.
Mein Schiff war ein Dreimaster aus bunt lackiertem Palisander-Holz, hatte keine Schraube, sondern seitlich zwei kleine Schaufelräder, wie ein Mississippi-Dampfer. Ein Liliputaner in einem marineblauen Frack wachelte mir, der ich gerade (natürlich so gut wie kein anderer) am Steuer stand, mit Palmenblättern Kühlung zu. Am Vordeck tanzten zwei rudimentär bekleidete karibische Schönheiten zu Bob Marleys „No Woman No Cry“.
Der im Mastkorb stehende, von Asterix geliehene Nubier meldete lautstark „Pue‘to ´ico“, im Hafen wurde daher auch „Ay-ay-ay-ay-ay-ay, Puerto Rico…“ gesunden. Al Pacino mit Panama-Hut, schwarzer Sonnenbrille, weißem Anzug und rosa Gamaschen kam an Bord und rauchte mir einen gewaltigen Ofen an. „Wir haben noch viel mehr von dem Zeug“, lächelte er durch den Marihuana-Dunst. Ich bemerkte, dass einer seiner Schneidezähne durch einen in Gold gefassten Diamanten ersetzt war.
Am nächsten Tag landeten wir auf den Cayman Inseln, der Hafenkapitän sah aus wie Graf Dracula mit der Frisur von Karl Heinz Grasser, sein Büro war ein riesiger, postgelber Briefkasten.
Auf dem Weg nach Barbados harpunierte der Liliputaner einen Hammerhai, der wenig später von Jamie Oliver als Suppe serviert wurde. Die „Falbala“ – so hieß meine Yacht – überwand ein paar gefährliche Untiefen durch den Einsatz der Schaufelräder. Kurz vor Tortuga versuchte sich Captain Jack Sparrow mit seiner „Black Pearl“ mit uns zu matchen. Selbstverständlich erfolglos.
Als Kevin Costner mit seinem Katamaran aus dem Film „Waterworld“ längsseits an uns festmachte, servierte uns eine der Vordeck-Tänzerinnen Pina Colada.
Ein paar Stunden später lag ich in einer Hängematte zwischen zwei Palmen über dem weißen Sandstrand, während Elvis und Jimmy Hendrix neben mir ihre Badetücher ausbreiteten. Jetzt wurde ich langsam stutzig.
„Geht’s dir eh gut?“ fragt Missis Columbo. „Du bist glühend heiß, gibst komische Geräusche von dir und sprichst im Schlaf. Du solltest Fieber messen!“
Da hat mich wohl eine schwere Grippe erwischt. Bevor ich mich mit Essigpatschen und Thermophor in meine Festlandkoje zurückziehe, ramme ich noch eine Stecknadel in meine Weltkarte. Und zwar mitten in die Insel Jamaica. Denn es mag mich die typisch alpenländische Februar-Realität mit Nebel, minus zwei Grad Außen- und 39,8 Grad Körpertemperatur eingeholt haben, aber einen derart preisgünstigen und ereignisreichen Karibiktörn haben die ganzen Angeber, die alle schon dort gewesen sein wollen, ganz sicher nicht erlebt!

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