Rolex Middle Sea Race
Favorisierte Esimit Europa 2 holt in Malta den nächsten Sieg
Exakt drei Tage, zehn Stunden, 42 Minuten und fünf Sekunden musste die Crew der Hochseesegelyacht „Esimit Europa 2“ kämpfen. Dann war die hochdekorierte Mannschaft aus neun Nationen um den deutschen Skipper Jochen Schümann (Penzberg) auch beim 33. Rolex Middle Sea Race in Malta als erstes Boot im Ziel. Es war nach dem Hattrick 2010 bis 2012 der vierte Sieg, was noch kein Boot zuvor in der 46-jährigen Geschichte der Regatta schaffte. Vorausgegangen war ein nervenaufreibendes Flautenrennen über 608 Seemeilen auf einem Rundkurs durchs Mittelmeer, bei dem oft kaum Schrittgeschwindigkeit erreicht wurde. Dennoch siegte das pan-europäische Team des slowenischen Eigners Igor Sim?i? mit der 100-Fuß-Rennyacht (30,50 Meter) auch bei seiner 35. Langstreckenregatta zum 35. Mal nach gesegelter Zeit.
„Wir sind glücklich und stolz, als Einzige bisher zum vierten Mal zuerst im Ziel zu sein“, sagte Jochen Schümann. Der dreimalige Olympiasieger und zweifache Amercia’s Cup-Gewinner berichtete von einer außergewöhnlichen Herausforderung, denn „es war oft sehr, sehr schwachwindig.“ Gleich mehrfach habe die Hightech-Rennmaschine auf der Stelle gestanden. „Wenn du das enorme Potential von Crew und Boot gar nicht nutzen kannst, ist es besonders hart“, so der Skipper. Das Team habe sich jedoch stets clever zwischen die aufkommenden Gegner und die nächste Kursmarke platziert, so dass kaum eine ernsthafte Gefahr bestanden habe, überrundet zu werden.
Auch der neue Steuermann, Robert Stanjek aus Berlin, berichtete von einem „Geduldsspiel“ unterwegs. „Wir hatten insgesamt bestimmt 30 Stunden lang keinen oder so gut wie keinen Wind“, so der amtierende Starboot-Weltmeister, „das ging mental schon ans Limit.“ Oft setzte die Mannschaft den sogenannten Windseeker (Windsucher), ein besonders leichtes Vorsegel, das fast unabhängig von der Richtung schon auf den leisesten Hauch reagiert und das Boot wieder in Fahrt bringen kann. „Aber auch damit brauchten wir viel Geduld“, sagte Stanjek. Die Verfolger seien mehrmals von hinten aufgekommen, bevor sich das größte Schiff im Feld wieder absetzen konnte.
Gegen 15 Uhr am Dienstag rundete die „Esimit Europa 2“ nach mehr als drei Tagen auf See Lampedusa mit einer Halse dicht unter dem Kliff und setzte den Kurs der letzten 100 Seemeilen auf Malta ab. „Das war ein spektakulärer Anblick“, berichtete Schümann, allerdings auch von nur 6,7 Knoten Windgeschwindigkeit, „typisch am Tage während dieses Rennens. Nachts war es meist noch weniger.“ Vor allem nördlich von Sizilien nach der Passage der Straße von Messina schob sich das Feld in einem ausgedehnten Schwachwindbereich wieder eng zusammen.
Auch danach blieb der Mini-Maxi „RÁn“ von Niklas Zennström aus Schweden den Führenden immer vergleichsweise dicht auf den Fersen. Schümann berichtete noch am vierten Tag von Bord: „Wir können sie mit dem Fernglas achtern ausmachen. Sie hatten bei Pantelleria einen Riesensprung nach vorn gemacht, während wir dort parkten.“ Im Morgengrauen war die 22 Meter lange Gegnerin bis auf sechs Seemeilen herangekommen. Die Anbahnung, vielleicht doch überholt zu werden, schien erst gegen Nachmittag endgültig gebannt.
Zu dem Zeitpunkt träumten Schümann & Co. bereits von „guter Pasta und einem oder zwei Gläsern Wein im Royal Malta Yacht Club“. Die hatte die Mannschaft dann auch um Mitternacht noch redlich verdient. Denn es wurde viertel vor elf abends, ehe die Ziellinie nach 608 Seemeilen endlich erreicht war. Die „RÁn“ kam letztlich zwei Stunden und 13 Sekunden später im Hafen Marsamxett von Maltas Hauptstadt Valletta an, verlor die Gesamtführung nach berechneter Zeit allerdings am Mittwochmittag schon wieder an die kleinere Cookson 50 „Cantankerous“ aus Italien.
Für das gesamte Syndikat war der Erfolg eine Genugtuung, denn 48 Stunden vor dem Start war die Teilnahme noch alles andere als sicher gewesen. Auf der Überführung von Trieste nach Valletta, die als Medot Trophy um den Streckenrekord gesegelt wird, war eine Saling am Mast gebrochen, die nur in Nachtarbeit noch rechtzeitig repariert werden konnte.
Mit dem erneuten Triumph als Erster im Ziel hat das Esimit Sailing Team die eigenen Erwartungen erfüllt. An einen neuen Streckenrekord war bereits vor dem Start des Hochseeklassikers nicht zu denken gewesen. Die Wetterprognosen des Veranstalters deckten sich mit den Erwartungen von Navigator Tom Addis, der von vornherein mit „drei bis dreieinhalb Tagen“ gerechnet hatte. Der US-Maxi „Rambler“ hatte 2007 in einem Sturmrennen weniger als 48 Stunden gebraucht.
„Die Saison 2014 stand ganz Zeichen leichter Winde, die eine ganze eigene, besondere Herausforderung für Segler darstellen“, so Jochen Schümann. Schon bei der 46. Barcolana vor dem Rolex Middle Sea Race hatte es einen Flautenpoker gegeben, den die „Esimit Europa 2“ hauchdünn wenige Meter vor der RC44 „Illyteca“ gewann. „Wir werden unsere fünfte Saison noch gründlich analysieren, um künftig noch schneller zu sein“, meinte Eigner Igor Sim?i?, „Aber zunächst dürfen wir den 35. Sieg nach gesegelter Zeit im 35. Rennen feiern.“ Im kommenden Jahr plant er die Teilnahme an Mittelmeerregatten in Spanien, Frankreich, Italien und Monaco.
Für seinen Triumph als Erster im Ziel erhält das Esimit Sailing Team bei der Siegerehrung am Sonnabendmittag (25. Oktober) sowohl die RLR-Trophäe als auch eine edle Rolex Armbanduhr. Von der Rekordteilnehmerzahl von 122 Booten aus 24 Nationen werden es trotz der für die zweite Wochenhälfte stark zunehmend vorausgesagten Winde nicht alle bis ins Ziel schaffen. Um Mitternacht war bereits eine Schlechtwetterfront an der Nordwestecke des Kurses eingetroffen und hatte schwere Sturmböen gebracht. Insgesamt 17 Teilnehmer hatten am Mittwochvormittag bereits aufgegeben, rund zwölf Stunden nachdem die „Esimit Europa 2“ gezeitet worden war.