Malta muss man mögen
Lokalaugenschein. Das Middle Sea Race gilt als eine der schönsten Langstrecken-Regatten der Welt. Judith Duller-Mayrhofer war beim Start vor Ort und sprach mit österreichischen Teilnehmern über deren Erlebnisse und Eindrücke
Krawumm! Es kracht, es raucht, dann zieht der schwefelige Geruch von verbranntem Schwarzpulver über die Terrasse des Upper Barraka Gardens. Acht historische Kanonen, den Lauf jeweils zum Grand Harbour zeigend, stehen hier in Reih und Glied nebeneinander. Normalerweise fällt aus dieser Saluting Battery täglich um Punkt 12 Uhr ein Schuss, ein Zeremoniell, das zur Freude der Touristen anlässlich Maltas Beitritt in die EU, also 2004 eingeführt wurde. Doch am 21. Oktober des heurigen Jahres zog der ernst dreinblickende, uniformierte Richtschütze die Zündschnur schon ab elf Uhr und das mehrfach. Grund ist das Middle Sea Race – jedes Abfeuern markierte den Start einer Gruppe. 110 Yachten machten sich unter dem Donner der Kanonen nach und nach auf den Weg, bestückt mit 26 unterschiedlichen Flaggen, die kleinste 33, die größte hundert Fuß lang. An Bord waren mehr als tausend Seglerinnen und Segler aus rund 50 Nationen bereit, ihr Bestes zu geben, um ihr Schiff sicher und möglichst rasch zurück nach Valletta zu bringen.
Zum 44. Mal fand das legendäre Rennen heuer statt, der 606 Meilen lange Kurs führte wie immer vom Ausgangs- und Zielpunkt Valletta gegen den Uhrzeigersinn um Sizilien; neben einigen Bahnmarken galt es zudem die Liparischen Inseln, Pantelleria sowie Lampedusa zu runden. Diese Route erschließt ein Revier von außergewöhnlicher Schönheit, in dem die Flotte zwei aktive Vulkane sowie eine ganze Reihe von historisch bedeutsamen Stätten passiert, ein Umstand, der zur großen Beliebtheit dieser Langstreckenregatta beiträgt.
Zu Beginn strich lediglich eine leichte Brise über den Naturhafen von Valletta, der sich tief in die Nordküste der Insel Malta einschneidet, doch an den folgenden Tagen waren die Mannschaften mit ganz unterschiedlichen Verhältnissen konfrontiert. Der Wind kam aus Norden, Süden oder Osten, war sanft oder heftig, brachte aufgewühlte See und hohen Wellengang, setzte zwischendurch aber auch komplett aus. Das verlangte zahlreiche Segelwechsel sowie viel Fingerspitzengefühl für die Navigation und stellte Kopf wie Körper vor große Herausforderungen. „In vier Tagen sind zwei Kaltfronten durchgezogen“, weiß Yachtrevue-Meteorologe Mike Burgstaller, der als Co-Skipper einer gecharterten Pogo 12.50 zum vierten Mal am Middle Sea Race teilnahm, zu berichten, „daher gab es ungewöhnlich wechselhafte Bedingungen.“
Als erste Yacht ging nach zwei Tagen und zwei Stunden eine MOD70 über die Ziellinie. Die unter französischer Flagge segelnde Limosa holte damit zum zweiten Mal in Folge die Line Honours in der Multihull-Kasse, gleiches gilt für Skipperin Alexia Barrier, eine erfahrene Hochsee-Seglerin, die unter anderem die Vendée Globe 2020/21 bestritten hat. Sie gewann ihre Klasse auch nach berechneter Zeit und setzte mit einer überwiegend weiblichen Crew, zu der so bekannte Namen wie Dee Caffari oder Marie Riou zählten, zudem ein starkes Zeichen für Frauen im Segelsport.