Zwischen Trogir und Kangchendzönga

Lauschangriff. Törnbesprechungen fremder Crews sind mitunter lehrreich. Oft aber auch verwirrend

Zwischen Trogir und Kangchendzönga

Meine Neugier zwingt mich gelegentlich dazu, auf dem Marina-Steg herumzuschleichen wie der Pirat Störtebeker auf der Kaimauer einer Hansestadt. Ich tu so, als würde ich Nachrichten auf dem Handy lesen, belausche in Wahrheit aber andere Crews bei ihren Besprechungen. Das Hörvermögen lässt mit den Jahren nach, weshalb sich meine Lauschangriffe immer schwieriger gestalten. Erstens stell ich oft erst nach fünf Minuten fest, dass die Burschen nicht Weststeirisch, sondern Tschechisch reden. Zweitens laufe ich Gefahr, zu nah an den Rand zu kommen und ins Wasser zu fallen. Im günstigsten Fall fragt mich einer, ob ich mich nicht gleich dazugesellen wolle. Vor allem von den jungen Kollegen empfindet aber kaum einer das Bedürfnis, von einem wildfremden, allwissenden Altmeister der christlichen Seefahrt belehrt zu werden. Vor einigen Jahrzehnten hat ein gefühlt 100-jähriger 130-Kilo-Mann meiner Crew zugerufen: „Das heißt Rudergänger! Nicht Steuermann!“ Mürrischer Nachsatz: „Das is’ ja kein Ruderboot! Glaubt’s dem Anfänger ka Wort!“

Eine Stunde nach dieser vertrauensbildenden Maßnahme hat der wohlgenährte Professor des gesamten Bootswesens mit seinem Stahlschiff die Muring der Nachbarn gefangen. Die Hafen-Crew brauchte eine weitere Stunde, um das entstandene Chaos zu entwirren und die Hafenblockade aufzulösen. Ein Kommando des Chef-Marineros war zumindest in meiner Erinnerung von Trogir bis zum Himalaya zu hören: „Skippa! Nix Autoscooter in Hafen! Das nix Witz! Geh du weg von die Lenkrad! Lässt du Darko machen die Steiermann!“

Worauf sich das Ober-Scherzküberl unserer Crew nicht zurückhalten konnte und dem Skipper zurief: „No, Blader: Jetzt erklär’ dem Marinero, dass es Rudergänger heißt und nicht Steiermann.“ (Heute würde ich mich als Skipper selbstverständlich von einer derartigen Randbemerkung entschieden distanzieren.) Als gebranntes Kind misch’ ich mich in die Crewbesprechungen auf anderen Schiffen prinzipiell nicht ein. Doch manchmal muss ich ganz fest in meine Unterlippe beißen, um nicht lautstark einzuschreiten. [In eckigen Klammern verrate ich, was ich oft gern geantwortet hätte.]:

„Die Sorgeleine muss immer ganz außen an der Reling geführt werden.“

[„Unbedingt! Nur so könnt ihr später, wenn der Sturm vorbei ist, den Ertrunkenen in Ruhe bergen.“]

„Zwei Rettungswesten reichen. Die übrigen geben wir ins Auto, um mehr Stauraum zu schaffen.“

[„Clever! Ich wusste ja nicht, dass du von den acht Leuten, die bei deiner Crew-Einweisung sitzen, sechs wieder nach Hause schickst.“]

„Wer refft, verliert!“

[„Gratuliere schon jetzt ganz herzlich zum Sieg!“]

„Bitte den Eisschrank nicht voll anfüllen, sonst kühlt er nicht ordentlich!“

[„Fast richtig. Das Gegenteil würde genau stimmen.“]

„Coca-Cola verhindert Seekrankheit!“

[„Stimmt! Funktioniert aber nur an Land.“]

„Der Prusik ersetzt alle Seemannsknoten.“

[„In welchem Basislager des Kangchendzönga hast du deinen Segelschein gemacht?]

„Seekarten aus Papier sind Schnee von gestern!“

[„Ooops! Jetzt hast du mich erwischt!“]

Und nun ausnahmsweise ein ernst gemeinter Schlusssatz, um nicht als totaler Spießer dazustehen, der jeden kreativen Ansatz moderner Schiffsführung im Keim erstickt: Fast alles, was ich als Marina-Spion bisher so aufgeschnappt hab’, ist wichtig und richtig. Aber halt weniger amüsant. Besonders die tschechischen Passagen.

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