Mitten im Mittelmeer
Klein, aber fein. Malta ist ein spezielles Revier – von seiner Ausdehnung leicht überschaubar, doch durchaus erlebnisreich. Werner Meisinger hat es besegelt und war überaus angetan
Die Kanonen der großen Bastion zielen auf die Schiffe im Hafen. Die Batterie wurde vor knapp 500 Jahren aufgestellt. Den größten Teil dieser Zeitspanne galt die Präsenz der schweren Waffen böswilligen Angreifern. Heute richten sich die Mündungen der Kanonen auf keine Armada von Kriegsschiffen, sondern auf einen Schwarm von Luxusyachten, Sportbooten, Fähren, Kähnen und Handelsschiffen, die den gewaltigen Hafen von Valletta befahren oder in seinen Marinas vertäut liegen.
Doch die Kanonen sind nur noch dekorativer Natur. Die Zeiten haben sich zum Besseren gewendet – Invasoren hat Valletta aktuell nicht zu befürchten. Wenn eine fremde Macht auf Malta einfällt, dann ist es das Geschwader der Touristen.
Viele gute Gründe sprechen für einen Besuch von Europas Vorposten im Süden. Die bewegte Geschichte der Insel hat eine Vielzahl historischer Sehenswürdigkeiten hinterlassen, die touristische Infrastruktur im Beherbergungssektor wurde in den letzten Jahrzehnten massiv ausgebaut und ins Premiumsegment vorgeschoben, die Melange verschiedener Kulturen britischer, italienischer oder nordafrikanischer Prägung hat eine Gesellschaft von südländischer Vitalität und Stilsicherheit hervorgebracht. Auch Sprachreisen sind ein starker Sektor im touristischen Themenmix Maltas; warum die englische Sprache auf Malta besser zu erlernen sein sollte als in Großbritannien ist unklar, möglicherweise, weil im wohlig-warmen Klima das Studium mehr Freude macht als in Nebel und Nieselregen.
Mitten im Mittelmeer sind die Temperaturen die meiste Zeit des Jahres tatsächlich sehr angenehm. Im Hochsommer erwiesen sie sich zuletzt besonders angenehm für Eidechsen, Zikaden und dergleichen. Menschen waren sie einigermaßen beschwerlich; wohl als Folge des Klimawandels zeigten die Thermometer häufig Temperaturen um die 43 °C. Daher spricht man in Malta von einem Rekord-Hitzesommer 2023, in dem es zudem rekordverdächtige Nebenerscheinungen zu vermerken gab. Zum Beispiel tagelangen Stromausfall und massenhaft auftauende Lebensmittel in den Tiefkühlbereichen der Supermärkte.
Ganz allgemein brummt die Tourismuswirtschaft auf Malta nach der Corona-Zäsur wie zuvor und in einer Intensität, die gerade noch zu bewältigen ist. Der Yachttourismus als Spezialdisziplin hält sich hingegen in Grenzen.
Auch das hat verschiedene Gründe.
Ganz wesentlich sind die geografischen. Malta liegt zwar ziemlich zentral im Mittelmeer, aber einigermaßen isoliert. Im Norden könnte man einen Malta-Törn mit dem Besuch der Südküste Siziliens verbinden, die aber wenige Attraktionen bietet. Im Osten wäre es viel zu weit bis zum Peloponnes oder nach Kreta. Im Westen und Süden könnte man Libyen und Tunesien erreichen. Dort will man aktuell nicht hin, außer, man interessiert sich für politisches Chaos und Gewalt.
Bleibt die Rundfahrt um Malta. Viel mehr als sechzig Meilen gibt der Trip nicht her. Was tun mit dem Rest der Woche?
Das Fahrtgebiet ist also ausnehmend klein. So beschränkt, wie das klingen mag, ist es jedoch nicht. Die wenigen Stationen, die sich auf der Reise rund um die beiden Hauptinseln des Staates – Malta und Gozo – anbieten, sind hervorragende Ausgangspunkte für Landexpeditionen. Wer diese Möglichkeit nutzt, kann auf kurzen Schlägen sehr viel über Land, Leute, Geschichte, Kultur und Genusskultur in Erfahrung bringen.