Spröde Schönheit
Die Kapverden sind ein wildes, weitgehend unberührtes Revier. Tanja Spennlingwimmer und Markus Russold haben es auf einer Charteryacht besegelt und waren mit jeder Menge Herausforderungen konfrontiert
Die atlantische Inselgruppe vor der Küste Westafrikas erfreut sich bei Pauschalreisenden zunehmender Beliebtheit: Auf Boa Vista und Sal wurden schicke Strandresorts gebaut, es gibt Direktflüge nach Österreich und rund ums Jahr angenehme Temperaturen. Der Archipel kann aber auch mit beständigem Wind sowie einer Charterbasis auf Sao Vicente aufwarten – warum ihn also nicht für einen Segeltörn nutzen? Der Reiseführer verspricht endlose einsame Stände, pittoreske Dörfer, Städte mit kolonialem Charme, einen aktiven Vulkan sowie wilde Berglandschaften. Das klingt ausgesprochen verlockend, also buchen wir, eine Gruppe von 16 Personen, eine Dufour 560 sowie eine Sun Odyssey 44i und vertiefen uns in die Törnplanung.
Wir wollen in den zwei Februar-Wochen, die uns zur Verfügung stehen, möglichst viele Facetten des Reviers entdecken, also tüfteln wir eine Route aus, die uns bis zu den südlichen Inseln bringen soll. Doch wir haben die Rechnung ohne Mr. Murphy gemacht, dessen Gesetz bekanntlich lautet: Was schief gehen kann, geht auch schief.
Und schief geht eine Menge. Unmittelbar nach dem Auslaufen aus der Marina, in der wir unsere Schiffe übernommen haben, reißt bei zwei Meter hohen Wellen und moderatem Wind um die 15 Knoten das Ruderseil der Dufour 560. Skipper Markus bekommt die Gelegenheit, seinen ersten echten Pan-Pan-Ruf abzusetzen, der Rudergänger steuert die Yacht tapfer mit Notpinne retour in den Hafen von Mindelo. Nach erfolgreicher Reparatur legen wir zwei Tage später einen Neustart mit verkürzter Streckenführung hin. Wir haben nach reiflicher Diskussion entschieden, die Inseln Boa Vista und Maio, die für ihre Sandstrände bekannt sind, aus Zeitmangel zu streichen. Die Hauptinsel Santiago sowie die Vulkaninsel Fogo wollen wir aber nicht auslassen, auch wenn wir dafür einen Schlag von hundert Meilen inklusive Nachtfahrt in Kauf nehmen müssen.
So machen wir Halt im Nationalpark rund um die Insel Santa Luzia, genießen einen traumhaft schönen Schlag zur Insel Sao Nicolao und freuen uns über eine zügige Überfahrt nach Santiago, wo wir auch die pulsierende Hauptstadt Praia besuchen.
Abenteuerliche Verhältnisse
Als trostlos empfinden wir hingegen den kleinen, rudimentären Hafen Porto Vale Cavaleiros im Westen der Insel Fogo. Er dient primär als Fähranleger, es gibt keinerlei Infrastruktur und die Wasserqualität lädt nicht zum Baden ein. Maximal drei Schiffe finden mit Anker und Heckleinen Platz, zu allem Überdruss bieten Kaimauer und Mole nur unzureichend Schutz vor den hohen Atlantikwellen, und so ergießen sich diese regelmäßig in das direkt an der Steilküste gelegene kleine Becken. Prompt bricht gegen 22 Uhr unser Anker aus und wir drohen gegen Küste und Schwesterschiff zu treiben. Nach einer durchwachten Nacht, in der wir vergeblich versuchen, den Anker neu auszubringen, beschließen wir – früher als geplant – die Rückreise nach Mindelo anzutreten. Mehrere Mitsegler sind von der Härte des Atlantiks und den Entbehrungen aufgrund fehlender Versorgungsmöglichkeiten heftig gebeutelt und wollen sich vor Ende des Urlaubs noch ein wenig erholen. Alle Wettermodelle prophezeien etwa 15 Knoten Wind, die Realität sieht allerdings anders aus. Es bläst mit 35 Knoten Grundwind und Böen um die 45 Knoten genau auf unsere Nase, die Wellen sind bis zu fünf Meter hoch. An Segeln ist nicht zu denken, unter Motor kommen wir mit maximal zwei Knoten voran. Mindelo liegt 130 Seemeilen entfernt, wir laufen also Gefahr unseren gesamten Treibstoff zu verbrauchen, ehe wir den Zielhafen erreicht haben, ein Großteil der Crew liegt zudem seekrank unter Deck.