Neel 43
Die französische Werft besetzt mit ihrem neuen Trimaran eine Nische und spricht ein sportlich orientiertes Klientel an, das beim Wohnen zu Kompromissen bereit ist
Rückblende. Bei den Testfahrten für die Wahl zur Europas Yacht des Jahres 2018 vor La Rochelle war auch der Neel 51 mit dabei. Der Trimaran beeindruckte mit überragenden Segeleigenschaften, tollem Platzangebot und wurde prompt in der Kategorie Multihulls zur Yacht des Jahres gekürt. Dem vor zwei Jahren vorgestellten Neel 47 blieb dieser Erfolg trotz seglerischer Glanzleistung verwehrt. Grund: Die konzeptionsbedingt nur von außen begehbaren Kajüten wurden von der Jury für eine Yacht dieser Liga und vor allem im direkten Vergleich zu Fahrtenkatamaranen als zu unbequem eingestuft. Umso gespannter durfte man auf den neuen Neel 43 sein, der ein anderes Kajütkonzept aufweist, sich im Vorjahr für das EYOTY-Finale qualifiziert hat und Ende November getestet wurde.
Die Geschichte
Eric Bruneel ist ein französischer Hochseesegler, der nach seiner aktiven Karriere zunächst als Manager bei der Katamaran-Werft Fountaine Pajot tätig war, 2010 eine eigene Werft gründete und sich auf den Bau schnell segelnder Trimarane spezialisierte. Allerdings nicht im Stil von Dragonfly, mit klappbaren Schwimmern und sehr bescheidenem Platzangebot – nein, die Neel-Trimarane sollten hinsichtlich Raumgefühl herkömmlichen Fahrtenkats Paroli bieten können. Das gelang mit dem Erstlingswerk Neel 45 recht gut, mit dem Neel 51 sogar außerordentlich gut. Bislang hat man knapp 110 Trimarane gebaut, Tendenz stark steigend. Für den Neel 43 plant Bruneel rund 20 Einheiten pro Jahr. Die aktuelle Palette umfasst mit Neel 43, 47, 51, 52 (neu) und 65 Evolution fünf Modelle.
Innovatives Konzept
Optisch wirken die Trimarane von Neel aufgrund ihrer enormen Breite immer ein wenig behäbig. Tatsächlich segeln sie wie die Teufel. Verantwortlich dafür ist Bruneel höchstpersönlich, denn der kann schlecht segelnde Boote partout nicht ausstehen. Für die Konstruktion des Neel 43 engagierte er Marc Lombard, der seine Ideen ambitioniert umsetzte. Er schuf einen breiten Mittelrumpf mit Wavepiercer-Bug für eine möglichst lange Wasserlinie und ausgeprägten Chines, um die benetzte Fläche gering zu halten. Die Büge der Schwimmer sind ebenfalls im Wavepiercer-Stil gehalten und das Volumen im Vorschiffsbereich ist durch den recht hohen Freibord voluminös, um die Gefahr des Unterschneidens zu reduzieren. Im Heckbereich enden die Seitenrümpfe etwas früher und das Unterwasserschiff hat einen stark ausgeprägten Rocker (= Krümmung im Bug und Heckbereich). Das hat den Vorteil, dass der Tri im Hafen stabil liegt, in der Wende leicht durch den Wind geht und sich agil bewegen lässt.
Sobald Druck im Segel ist, krängt der Tri ein wenig und der Luv-Schwimmer berührt das Wasser so gut wie gar nicht mehr; bei mehr Wind schwebt er etwa zehn Zentimeter über der Wasseroberfläche. Passt: Je weniger benetzte Fläche, desto besser. Beim Bau wurde penibel darauf geachtet, möglichst viel Gewicht zu sparen. Rümpfe und Deck in Sandwich werden im Vakuuminfusionsverfahren gefertigt, beanspruchte Stellen mit Karbon verstärkt und als Sandwichmaterial kommt recycelter PET-Schaum zum Einsatz.
Beim Kajütaufbau entschied man sich für ein anderes Konzept als beim Neel 47. Die Option, die Schwimmer von außen zu begehen, stellte sich gar nicht, weil diese ohnehin zu schmal für eine Kajüte sind. Bruneel stellte stattdessen einen breiten Kajütaufbau auf eine Plattform über den drei Rümpfen und ließ auf den Seitendecks gerade soviel Platz, dass man bequem aufs Vorschiff gehen kann. In den Schwimmern gibt es also lediglich Bereiche, in die jeweils eine der Doppelkojen hineinragt. Diese Konstruktion war technisch eine echte Herausforderung und stellt einen Kompromiss dar; ob gelungen oder nicht, ist eine Frage der Sichtweise. Mehr dazu später.
Austrainiert
Ehe man Innenlayout und -ausbau final beurteilt, sollte man sich über das dazugehörige Anforderungsprofil informieren. „Die Rümpfe des Neel 43 wurden für Geschwindigkeit optimiert“, erzählt Bruneel, während wir unter Gennaker mit bis zu 12 Knoten herumglühen, „es war unser Ziel, damit bei Hochseeregatten auf das Podium zu segeln.“ Um einen Renntrimaran handle es sich aber bei weitem nicht, denn der Neel 43 soll im Charterbusiness genauso reüssieren wie im Blauwasser-Segment.
Ein Problem, das es beim Bau zu umschiffen galt, ist die Tatsache, dass ein Multihull extrem empfindlich gegenüber Zuladung ist. Überschreitet das Gewichts- Längenverhältnis einen gewissen Wert, ist es vorbei mit den guten Segeleigenschaften. Im Fall des ohnehin leicht gebauten Neel 43 beträgt die maximale Ladekapazität drei Tonnen – nicht sehr viel, wenn man die Tanks füllen und die Yacht mit diversem Equipment beladen möchten.
Reduktionskost
Ein lebbares Innenlayout auf einem Trimaran dieser Größe zu schaffen, ist ebenfalls eine grundsätzlich schwierige Aufgabe. Beim Neel 51 erfand man aus diesem Grund den sogenannten Cockloon, eine von Bruneel kreierte Wortschöpfung, mit der er die dank Schiebetüre und -fenster erreichte Verschmelzung von Cockpit und Salon bezeichnet. So entsteht nicht nur subjektiv ein weitläufiger Eindruck, sondern auch objektiv ein gerüttelt Maß an Bewegungsspielraum.