Zeitensprünge
Juni 2020: Die private Monatsbilanz von Judith Duller-Mayrhofer
Blick in die Zukunft. Corona hat in der Phase der strengsten Beschränkungen so gut wie alle meine Freizeitaktivitäten lahm gelegt; nix mehr mit Sport, Kultur und Geselligkeit. Spaziere stattdessen um den Häuserblock, backe Bananenbrot, telefoniere mit den Kindern und bewundere den Mann beim Klimmzug-Training. Eh nett, aber ein bissi fad. So stelle ich mir mein Leben mit 70, nein mit 80 Jahren vor. Das letztgenannte Vergnügen könnte dann vielleicht kürzer ausfallen. Aber nur vielleicht. Inzwischen konnte ich viele Beschäftigungen, die mir lieb sind, wieder aufnehmen. Was mir immer noch schmerzlich fehlt: Das gemeinsame Singen mit den Chor-Kolleginnen der Philharmonie Wien. Bitte, liebes Leben, lass mich bald wieder.
Blick in die Vergangenheit. In meiner Kindheit habe ich alle Ferien entweder im UYC Neusiedlersee oder im Häuschen meiner Großmutter am Ortsrand von Pörtschach verbracht. Da wie dort stromerte ich weitgehend unbeaufsichtigt mit einem Freundes-Rudel umher und trieb so manchen Unfug. Die Oma gibt es längst nicht mehr, aber Kärnten blieb mir dank umsichtiger Heiratspolitik als zweite Heimat erhalten; dem Yachtclub hielt ich sowieso die Treue. Aufgrund der herrschenden Reisebeschränkungen könnte das heuer ein Sommer wie damals werden. Freundes-Rudel ist da wie dort vorhanden, vielleicht fange ich auch wieder an, Unfug zu treiben. Was mir allerdings schmerzlich fehlt: Salzige Luft und das Zirpen der Zikaden in der Ankerbucht. Bitte, liebes Leben, lass mich bald wieder.