Candela Seven
Ein Tag am Wörthersee mit einem E-Boot, das über das Wasser fliegt, in jeder Hinsicht puristisch ist, aber exzellenten Fahrspaß bieten kann.
Alles foilt. Jollen, Kielboote, Kats, Surfboards, Kiteboards und neuerdings auch Elektro-Motorboote. Der Boom hat seinen Grund, schließlich ist das Gefühl, losgelöst über dem Wasser zu schweben, spektakulär und energieeffizient zugleich. Letzteres gilt ganz besonders für das foilende E-Boot Candela Seven, das von einem zum Außenborder umgebauten, 55 kW starken Torqeedo Deep Blue angetrieben wird.
Eine ausgiebige Testfahrt am Wörthersee beweist das. Wir verlassen den Hafen, fixieren die Foils im Flugmodus und geben Vollgas. Das Candela legt los, der Bug hebt sich, drei Sekunden später fliegen wir. Steuermann Paul Schmalzl, der sich im Herbst letzten Jahres die Vertretung des innovativen Sportbootes gesichert hat, geht ein wenig vom Gas, das Boot schwebt in stabiler Lage über den See. Das Log zeigt 22 Knoten, der Motor leistet dabei 20 kW, der erste Eindruck ist beinahe irritierend. Man spürt, dass das Boot keinen Wasserkontakt hat, es fehlt die Heckwelle, ebenso das für schnelle Motorboote typische Schlagen in Wellen. Doch die Irritation durch das Ungewohnte weicht rasch purer Freude. Der Juniorchef des Veldener Traditionsbetriebes demonstriert, wie man enge und weite Kurven fährt, dann darf ich ran. Vollgas geben und sofort nach dem Abheben das Gas reduzieren, lautet die Anweisung. Alles klar. Beim ersten Versuch gehe ich aufgrund der sehr leichtgängigen Schaltung zu sehr vom Gas, worauf das Candela unverzüglich, aber sanft im Wasser landet. Aber schon beim zweiten Versuch läuft alles nach Plan. Die Stabilität des Geradeauslaufs ist beeindruckend: Man kann das Lenkrad getrost auslassen, das Candela bleibt in der Spur und an Bord stellt sich ein beruhigendes Gefühl der Sicherheit ein. Die Lenkung ist insgesamt etwas schwergängig, damit soll ein ungewolltes Einschlagen verhindert werden. Wobei auch das kein Problem darstellen würde, wie sich zeigt. Nachdem ich die ersten Kurven zwecks Aufbau von gegenseitigem Vertrauen eher behutsam angegangen bin, erhöhe ich die Geschwindigkeit und schlage stärker ein. Das Candela reagiert sportlich und legt sich so stark in die Kurve, dass der Krängungsmesser zuerst sieben, dann acht und schließlich elf Grad anzeigt. Eine ordentliche Schräglage, die ich dem foilenden Boot nicht zugetraut hätte; und dabei keine Rede von Strömungsabriss. Als ich den Radius noch enger mache und die Krängung zwölf Grad beträgt, geht das Candela, wie von Paul Schmalzl vorhergesagt, plötzlich und automatisch vom Gas. Sofort mache ich die Lenkung auf, das Boot beschleunigt augenblicklich und bleibt im Flugmodus. In der Folge gelingt es mir durch das Spiel mit dem Lenkrad auch sehr enge Kurven durchzufoilen, selbst Achter lassen sich problemlos auf den See zeichnen. Wichtigste Schlussfolgerung aus dieser Annäherung auf Raten: Es ist de facto nicht möglich, das Candela in eine kritische Situation zu manövrieren. Um das final zu untermauern, lenke ich bei 25 Knoten voll ein. Das Candela legt sich in die Kurve und drosselt im selben Augenblick das Tempo derart, dass wir in voller Schräglage im Wasser landen. Das Boot schaukelt kurz nach außen auf, und fertig. Kein Gefahrenmoment, egal zu welchem Zeitpunkt.
Ein paar Zahlen noch: Das Candela beginnt bei 14 Knoten abzuheben, die ideale Reisegeschwindigkeit liegt zwischen 19 und 22 Knoten, bis 17 Knoten bleibt es im Flugmodus und die Höchstgeschwindigkeit liegt bei 30 Knoten. Bei einer Geschwindigkeit von 22 Knoten reicht eine Akkuladung für 50 Seemeilen, inklusive einer Reserve für 8 Meilen bei 3 Knoten. Der Geradeauslauf ist wie erwähnt extrem stabil, allerdings nicht völlig geräuschlos. Ab 25 Knoten machen sich am Hauptfoil Kavitationsgeräusche bemerkbar, bei 30 Knoten werden sie unüberhörbar. Sie sollten sich aber durch eine Feinjustierung der Foils minimieren lassen. Das hochfrequente Surren des Torqeedos war im Cruising-Tempo akzeptabel, jenseits der 25 Knoten dürfte das Geräusch zumindest Menschen mit empfindlichen Gehör auf Dauer nerven.
Erfindergeist
Die Idee zum Candela Seven stammt vom Schweden Gustav Hasselskog. Als Eigner eines 25 Fuß langen Motorbootes mit V8-Motor ärgerte er sich regelmäßig über die hohen Treibstoffkosten; konkret musste er für eine Fahrt zu seinem Wochenendhaus 50 Euro berappen. Also machte er es sich zur Aufgabe, ein komplett neues Bootskonzept zu erarbeiten. „Die Effizienz eines Gleitbootes kann man nicht erhöhen, weil sich die benetzte Fläche nicht verringern lässt“, erklärt Hasselskog und hat auch gleich die Lösung parat: „Will man den Widerstand im Wasser dramatisch reduzieren, benötigt man Foils – Punkt!“
Theoretisch gibt es eine breite Palette, vom Semi- bis zum Vollfoiler, in der Praxis setzte der studierte Maschinenbauer Hasselskog von Anfang auf das Vollfoiling-Konzept. Er gründete 2014 in Lidingö die Firma Candela Boats und startete ein Jahr später in die Projektphase, wobei er Experten aus allen relevanten Wissensbereichen einband. Bei hydrodynamischen Themen konnte er beispielsweise auf das Know-how der America’s-Cup-Syndikate Artemis und Oracle Racing zurückgreifen, das elektronische Flugkontrollsystem wurde in-house und unter Mitarbeit eines ehemaligen Technikers des schwedischen Flugzeugherstellers Saab Gripen entwickelt.
Unterwasser-Tragflächen
Letzteres ist durchaus logisch, denn Foils funktionieren nach demselben Prinzip wie die Tragflächen eines Flugzeuges. Sie erzeugen ab einer gewissen Geschwindigkeit soviel Auftrieb, dass sich das Boot vollständig aus dem Wasser hebt. Das Candela besitzt zwei Foils. Das Hauptfoil befindet sich knapp hinter den vorderen Sitzen und damit ungefähr zwei Meter hinter dem Bug. Es besteht aus einem 20 cm breiten und 2,35 m langen Flügelprofil, das an zwei beweglichen, wie profilierte Schwerter aussehenden Masten montiert ist. Diese Masten können elektrisch über einen Zahnradmechanismus gehoben beziehungsweise abgesenkt und über eine drehbare Achse horizontal verschoben werden, wodurch sich der Anstellwinkel des Foils ändert.