Herzensangelegenheit
Viviana ist Ende 40, alleinerziehend, rund 10.000 km von ihrer Heimat entfernt und lebt von zwei Jobs. Klingt nicht gerade nach einer Erfolgsstory, oder? Aber die große Liebe macht es zu einer. Nein, nicht die Liebe zu einem Mann, die Liebe zum Meer.
Aufgewachsen in Argentinien, macht sich Vivi bald als Regattaseglerin einen Namen, gewinnt unter anderem 1986 im Laser die brasilianische Meisterschaft. Folgerichtig wirft der brasilianische Segelverband ein Auge auf sie, der argentinischen folgt die brasilianische Staatsbürgerschaft und eine Olympiakampagne. Dort verliert Vivi die interne Ausscheidung und sagt daraufhin dem Regattasport, nicht aber dem Segeln Ade. Über eine Reihe von Umwegen landet Viviana in Palma de Mallorca und ist heute, ausgestattet mit allen möglichen Zertifikaten, eine der wenigen Frauen im Heer der auf der Insel arbeitenden Skipper. Daneben hat sie sich mit einer auf Planen spezialisierten Näherei ein zweites, körperlich weniger anstrengendes und örtlich stabileres Standbein aufgebaut.
Kennengelernt habe ich Vivi als Skipperin bei einem unserer Outdoor-Seminare. Sie beeindruckt ihr Gegenüber unmittelbar, nicht nur durch ihre offene, positive Art, die mit einem Schuss Melancholie versetzt und mit etwas Selbstironie garniert ist, sondern vor allem durch ihre spürbare Liebe zur Segelei, die weit über das Materielle hinausreicht. Erzählt sie von ihrer Zeit im Laser, wo sie aus Geldmangel nicht einmal ordentliche Segelschuhe und permanente Druckstellen am Fußrist hatte, dann fühlt man auch nach mehr als drei Jahrzehnten das Feuer brennen. Berichtet sie lebhaft und mit einer gesunden Mischung aus Engagement und Distanz über die auf Grund eines Materialproblems verlorene Olympia-Quali, dann leidet man mit und möchte das Rad der Zeit zurückdrehen. Die Geschichten über ihre Erfahrungen als Skipperin, ja sogar über das Leben auf Motorbooten als „hired hand“ reißen mit.
Sie machen deutlich: Hier handelt es sich um eine Herzensangelegenheit. Die große Liebe zum Meer als Liebe des Lebens – kein schlechter Zugang.