Die Zedern des Libanon
Wenn positives Potenzial und tatsächliche Realisierung auseinanderklaffen, zerreißt es mir das Herz. Das ist beim hochbegabten, sich in der Pubertät anderen Dingen zuwendenden Nachwuchssegler genauso wie beim fehlenden Ausschöpfen natürlicher Ressourcen aufgrund schlechter Rahmenbedingungen. Eindrückliches Beispiel für Letzteres auf Basis einer Reise nach Nahost: Segeln im Libanon.
Die Küste ist von malerischen Buchten, Klippen und Inseln gesäumt und würde Seglern ein einzigartiges Erlebnis bieten. Mehr als 300 Sonnentage im Jahr, häufig exzellente Windbedingungen, gute Wasserqualität jenseits der wenigen Ballungsgebiete rund um Beirut und Tripolis sowie ein Hinterland, das mit seinen Zwei- bis Dreitausendern Segeln bei angenehmen Temperaturen und im Anblick schneebedeckter Höhen erlaubt, schaffen in Verbindung mit der guten Küche sowie dem auf hohem Niveau operierenden lokalen Weinbau gute Voraussetzungen für eine vibrierende Segelnation.
Dieses Potenzial auszunutzen, fällt aber angesichts der sonstigen Rahmenbedingungen schwer. Auch wenn es Segelaktivitäten entlang der Küste gibt – die wirtschaftliche und politische Situation behindern diese massiv. Das durch interne Spannungen und Bürgerkriege gebeutelte Land ist nicht nur Tummelplatz für als terroristisch eingestufte Organisationen wie die Hisbollah sowie Spielball mächtiger Akteure in Nahost. Es kam durch die Explosionskatastrophe im August 2020 im Hafen von Beirut und dessen wirtschaftliche und politische Nachwehen weiter unter Druck. Heute ist die ökonomische Situation mit einer galoppierenden Inflation und einem Braindrain vieler fähiger Köpfe genauso katastrophal wie die politische Lage mit einer weitgehend handlungsunfähigen Elite.
Unter solchen Umständen an Segeln nicht nur zu denken, sondern diesen Sport in dem landschaftlichen und kulturellen Juwel auch tatsächlich auszuüben und weiterzuentwickeln, ist heroisch. Hut ab daher vor allen, die daran arbeiten, um ihn als Zeichen der Hoffnung und Einheit nicht sterben zu lassen.