Tiefe Gräben

Der sanft fallende Schnee dämpft die Geräusche von der Straße. Eine Tasse dampfenden Chai Latte – mann entwickelt sich – und ein Buch in der Hand, Vanillekipferl vor mir, Herz, was willst du advent-abendlich mehr.

Auf einmal von der Terrasse her ein schmatzendes Geräusch. Ich öffne die Tür: das Weihnachtsengerl, aber in welchem Zustand!? Mein gefiederter Freund ist kaum wiederzuerkennen. Anstelle des weißen Gefieders verklebte gräuliche Schwingen, das sonst makellos weiße Kleid bedeckt mit Schlammspritzern, das blonde Engelshaar dreckverkrustet. Nach einer Schrecksekunde bitte ich den Gefiederten herein, weise aber nach einer vorsichtigen Umarmung auf die Möglichkeit einer Dusche hin. Rund zehn Minuten später erscheint er frisch gewaschen und geföhnt. Eine Tasse Tee in der Hand antwortet das Engerl auf meinen fragenden Blick. „Du weißt ja, dass wir Himmlischen versuchen, euch Erdlingen zu helfen. Leider, leider habe ich in diesem Jahr beim Wichteln der Engel den Neusiedler See gezogen. Daher war es eine meiner Aufgaben, euch Segelnde wieder auf’s Wasser zu locken. Bei den Kollegen der Wetterabteilung konnte ich ein paar Zentimeter mehr an Wasserstand raushandeln.“ Der Gefiederte nimmt einen Schluck. „Zusätzlich habe ich aber als besonderes Geschenk für die Regattierenden unter euch in einem Gebiet höchstpersönlich im Schlamm gewühlt. Eine tiefe Furche Peilung 160/340 Grad für den direkten Kurs zu Lee- und Luvtonne, bei Start und Ziel ein größeres Gebiet mit ausreichender Tiefe, Furchenkorridore für Schläge nach links oder rechts, egal ob up- oder downwind. Regattieren am Steppensee in neuer Qualität – und somit könnt auch ihr Ostler dem Kielboot-Adel aus Restösterreich endlich Paroli bieten.“ Sprach’s stolz, bedankte sich für den Tee und machte sich auf den Weg. Des Engerls Wunsch nach stets einer Handbreit Wasser unter dem, na ja, Kiel für 2024 gebe ich gerne an die p.t. Lesendenschaft weiter, allerdings nicht ohne mich ein wenig über die manchmal verschlungenen Wege der Himmlischen zu wundern.

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