In gespannter Erwartung
Welche Folgen hat die Corona-Pandemie für die heimischen Werften und Großhändler gezeitigt? Roland Duller hat mit den betroffenen Protagonisten gesprochen und nach Ihren Perspektiven und Befürchtungen gefragt
Die Beneteau-Gruppe und Fountaine Pajot, die größten Serienwerften der Welt und jeweils in Frankreich stationiert, haben über Wochen ihre Produktion gestoppt, auch bei Solaris und Grand Soleil in Italien wurde alles abgeschaltet. Eine Situation, die es im internationalen Yachtbau noch nie gab und die sich erst langsam normalisiert. In den Hallen im oberösterreichischen Ohlsdorf wird hingegen emsig gearbeitet; von Stillstand keine Spur. Auf über 3.000 Quadratmeter Fläche fertigt Frauscher hier üblicherweise 80 bis 90 Yachten pro Jahr, vom kompakten E-Boot bis zum luxuriösen Offshorer. Und es wird weiter produziert – auch wenn Corona Welt und Wirtschaft lähmt. „Vertrieb und Verwaltung sind im Home Office, wurden aber nicht in Kurzarbeit geschickt, in der Werft arbeitet fast die gesamte Mannschaft in einem Schichtbetrieb unter Berücksichtigung aller Auflagen“, schildert Stefan Frauscher die aktuelle Situation im Betriebspark Ehrenfeld. Zunehmend Probleme mache allerdings das verspätete Eintreffen jener Teile, die aus Italien bezogen werden, räumt Frauscher ein: „Das kann in Folge bei einigen wenigen Booten zu geringen Verzögerungen bei der Auslieferung führen. Aber unsere Kunden zeigen dafür glücklicherweise durch die Bank Verständnis.“
Im Moment sind die Auftragsbücher voll, ob und wann es neue Bestellungen geben wird, ist naturgemäß ungewiss. „Wir bewerten die Situation Woche für Woche neu“, fasst Frauscher zusammen, „sind aber prinzipiell optimistisch und fühlen uns gut aufgestellt.“ Große Hoffnungen setzen die Frauschers in den lokalen Bereich, sprich Elektro- und Motorboote für die heimischen und mitteleuropäischen Seen. „Aber auch der internationale Markt wird wieder kommen“, ist sich Frauscher sicher.
Rund 60 Kilometer weiter westlich, in Mattsee, wacht Gerhard Schöchl penibel darüber, dass in seiner Werft die komplexen Hygiene-Vorschriften eingehalten werden: „Das Personal in den Hallen ist mit Stoffmasken, Schilden aus Plexiglas und Handschuhen ausgestattet, gearbeitet wird nur hintereinander und auf Einzelplätzen.“ Im Lager herrscht Schichtbetrieb, die Kunden, die in die Werft kommen, müssen strikte Richtlinien befolgen, Neuboote werden kontaktlos ausgeliefert. „Die persönliche Übergabe wird nachgeholt, wenn die Corona-Krise überstanden ist“, sagt Schöchl, „ab dann beginnt auch die Gewährleistung. Das ist ein fairer Deal.“ Die Buchungslage bei Sunbeam Yachts ist gut, die Lieferanten sind lieferfähig, die Lieferketten aufrecht. „Wie sich die Krise konkret niederschlägt, werden wir erst im Herbst sehen“, glaubt Schöchl, „momentan können wir noch nicht klagen.“
Starker Start in die Saison
Christian Lex von Lex Boats am Wörthersee und Alexander Marian von der gleichnamigen Werft am Wolfgangsee schätzen die Lage ganz ähnlich ein. Die Messen in Düsseldorf und in Tulln seien super gelaufen, danach mussten allerdings Testtage bzw. Probefahrten abgesagt werden, wodurch einige Boote noch nicht final verkauft wurden. „Bei uns liegt der Fokus im Moment auf Service und Auswinterung, die Testwochenenden wurden auf Sommer verschoben. Wer dann ein Boot kauft, bekommt es allerdings erst 2021 geliefert“, umreißt Christian Lex die Situation. Auch Marian hat so viele Aufträge, dass bei Neubestellung erst 2021 geliefert wird, wer heuer noch ein Boot haben will, kann aber auf ein Lagerboot mit frei wählbarer Motorisierung zugreifen. Was der Wolfgangseer spürt: Internationale Anfragen gibt’s derzeit nicht, die Kunden kommen in erster Linie aus Österreich und Deutschland.