„Unsere Grenzen haben sich verschoben!“
Die oberösterreichischen Blauwassersegler Claudia und Jürgen Kirchberger über Frostbiss an den Fingern, Arbeitsteilung an Bord und die berührende Begegnung mit einem Grönlandwal
Yachtrevue: Nach einer neunjährigen ausgedehnten Blauwasserreise, die euch unter anderem durch die Nordwestpassage und tief in die Antarktis gebracht hat, seid ihr erstmals wieder für längere Zeit in Österreich – wie geht es euch in der alten Heimat?
Claudia Kirchberger: Grundsätzlich sind wir gerne in Österreich. Wir schätzen es, in einem so schönen Land unsere Wurzeln zu haben, und genießen die Zeit mit der Familie. Aber nach so langer Absenz gibt es natürlich auch sehr viel zu tun und wir müssen hart arbeiten, um das kostspielige Leben an Land und die Liegegebühren für unser Schiff finanzieren zu können. Das stresst uns manchmal – aber damit haben wir gerechnet.
YR: Gibt es etwas, womit ihr nicht gerechnet habt?
Claudia Kirchberger: Echt eigenartig kommt uns die permanente Präsenz der Medien vor. Wir haben vergessen, mit wie viel Information man überflutet wird, selbst wenn man, wie wir, nicht fernsieht.
Jürgen Kirchberger: Und wir haben verlernt, zumindest einen Teil dieser Informationen abzublocken. Am Anfang war die Fülle an schlechten Nachrichten für uns kaum zu verkraften. Uns ist außerdem klar geworden, dass wir uns in vieler Hinsicht weiterentwickelt haben und die Welt heute mit anderen Augen betrachten.
YR: Inwiefern haben euch die letzten Jahre verändert?
Jürgen Kirchberger: Das Leben auf See lässt dir die Zeit die Schönheit der Welt zu entdecken. Wir sind geduldiger, vermutlich auch langsamer geworden, aber auch mutiger. Wir haben erfahren, dass es außerhalb der vorgestanzten Lebenswege ein ganzes Universum an Möglichkeiten gibt, unseren Horizont erweitert und von anderen Kulturen gelernt.
YR: Ist es nicht schwierig so lange Zeit unterwegs zu sein?
Claudia Kirchberger: Ich finde es gar nicht schwierig. Das Leben auf See ist geradliniger und weniger kompliziert als an Land. Es gibt keine Beurteilung von außen, keinen Boss und keine öffentliche Meinung. Niemand schreibt dir etwas vor, niemand sagt dir „das kannst du nicht“ oder „stell dich nicht so an“. Du bist deines Glückes Schmied und das fühlt sich wunderbar an.
YR: Und die Gefahren auf See? Arktis und Antarktis sind ja in jeder Hinsicht extreme Reviere.