Zeitloser Liebreiz
Zwischen Marmaris und Fethiye warten Menschen, deren Gastfreundschaft sprichwörtlich ist, sowie ein abwechslungsreiches Revier voller Schönheit. Daran haben die Jahre der Krise nichts geändert
Dunkle Wolken ringsum, der Wind bläst mit 20 Knoten aus Südwest und damit fast auf unsere Nase. Aber zumindest regnet es nicht und die tief eingeschnittene Bucht Köyceğiz ist schon in Sichtweise; in ihrem Scheitel wartet unser Tagesziel Ekincik. Vor etwa drei Stunden haben wir in Marmaris, genauer gesagt in der kleinen, zu einem Clubresort gehörigen Marina Adaköy, die Leinen gelöst. Das vom Österreicher Bernhard Blaha gegründete und mittlerweile von seinem Sohn Armin geführte Charterunternehmen Phoenix Yachten betreibt hier eine Basis, zu deren Flotte unsere Tiborón, eine acht Jahre alte, sehr gut segelnde Dufour 40E Performance gehört. Um ein Haar hätten wir unseren Törn heute gar nicht starten dürfen, da der Mittelmeer-Hurrikan Sorbas, der in Griechenland schwere Verwüstungen angerichtet hatte, Richtung Marmaris zu ziehen drohte. Doch zum Glück für uns drehte er, an Kraft verlierend, nach Norden ab. So gab die rührige Stützpunktleiterin doch noch grünes Licht und wir ärgern uns nicht über das schlechte Wetter, das uns die Ausläufer von Sorbas bescheren, sondern freuen uns wie die Schneekönige, dass wir unterwegs sind. Glück ist relativ.
Um 18 Uhr laufen wir den an der Ostseite von Ekincik gelegenen Yachtclub My Marina an. Sofort ist ein Einheimischer zur Stelle, der uns freundlich begrüßt und beim Anlegen hilft. Wir parken als einer von nur drei Gastliegern direkt an der hölzernen Pier, auch der große, mittige T-Steg ist alles andere als voll besetzt. Auf die Zehen tritt man sich hier definitiv nicht. Dabei ist My Marina ein traumhaft schönes und bestens geschütztes Plätzchen. Rundum erheben sich bewaldete, grüne Hügel, die verstreuten schroffen Felswände geben dem Bild Spannung. Die Anlage selbst, die etwa 50 Yachten Platz bieten könnte, wirkt gepflegt und mit Liebe angelegt, Palmen, Kakteen, Olivenbäume und Oleandersträucher säumen die gepflasterten Wege. Toiletten, großzügig dimensionierte Duschen, Wasser und Strom sind vorhanden, die Stromsäulen aber seltsamerweise in Müllsäcke eingepackt. Man erwarte schwere Regenfälle, erfahren wir auf Nachfrage – Sorbas lässt grüßen. Gerade eben blinzelt aber die Sonne heraus und so wagen wir das erste Bad. Das Wasser ist kristallklar und gerade richtig warm; so geht Oktober in der Türkei. Später steigen wir über eine Treppe zu dem erhöht liegenden Restaurant, das edel anmutet und einen tollen Blick über die Bucht bietet; Zeit fürs Abendessen. Der Leinen-entgegen-Nehmer hat sich in den Chef des Lokals verwandelt, er präsentiert, serviert und filetiert den Fang des Tages, die Kellnerin bringt dazu Efes-Bier und trockenen Hauswein. Zu viert zahlen wir etwa 120 Euro, kein Schnäppchen, dafür kostet, wie in der Türkei üblich, der Liegeplatz nichts. Eine Rechnung, die für uns unterm Strich stimmt.
In der Nacht schüttet es tatsächlich wie aus Schaffeln, doch am Morgen hat es sich ausgeregnet und am Himmel ist sogar der eine oder andere blaue Fleck zu erkennen. Während wir frühstücken, kommt ein junger Mann vorbei und bietet uns einen Bootsausflug zu den Felsengräbern am Oberlauf des Flusses Dalyan an. 30 Euro pro Person, keine anderen Gäste, Schiff, Kapitän und Guide stünden uns exklusiv zur Verfügung. Warum eigentlich nicht? Kurz entschlossen nehmen wir an. Die Fahrt in dem flachen, hölzernen Schiff, das problemlos zwanzig Passagiere fassen könnte, führt zunächst ein Stück die Küste entlang nach Osten, dann biegen wir in ein verzweigtes Flussdelta ab. Assoziationen zum Neusiedler See kommen auf, als wir durch das Schilflabyrinth tuckern. Süß- und Salzwasser mischen sich, unser Guide erzählt von Schildkröten, Fischzuchten und antiken Königen. Vor der Felswand, an der hoch oben die Gräber kleben, stoppt das Boot und wir können die in den Stein gehauenen Anlagen in Ruhe betrachten. Die Lykier bestatteten ihre Toten niemals in, sondern stets über der Erde, bauten tempelartige Ruhestätten mit auffälligen Fassaden und schweren Drehtüren. Was wir hier sehen, ist etwa zweieinhalbtausend Jahre alt –ein eindrucksvolles Zeugnis einer längst versunkenen Kultur, das uns merkwürdig berührt.
Donner, Wetter, Blitz
Jetzt aber weiter gen Osten, ein Schlag über fast 30 Seemeilen ist geplant, die Bucht Kapi unser Ziel. Ambitioniert setzen wir Segel, doch das Wetter macht es uns nicht leicht. Der Wind wird immer stärker, die dazu nicht passende Welle immer höher. Das bringt uns wiederholte Reff-Arbeit und eine elende Schaukelei ein, die nur zögerlich in die gewünschte Richtung führt. Der Blick nach achtern eröffnet Beunruhigendes: Pechschwarze Wolkentürme wachsen in den Himmel, dünne Rüssel wirbeln daraus wasserwärts, dumpf grollt der Donner.