Jetzt spricht Hanakamp
Was wirklich an Bord der Coral geschah: Bericht von Brand und Untergang
Im Rahmen der Regatta von Palerma nach Monte Carlo geriet der prominente österreichische Hochsee-Segler Andreas Hanakamp in Seenot und musste gerettet werden; die Yacht, eine Shipman 63 sank – wir haben an dieser Stelle darüber berichtet.
Nun schildert Hanakamp die dramatischen Ereignisse:
„Am 18.8.2012 startet die Segelyacht "Coral" bei der Regatta von Palermo nach Monte Carlo. Ich war mit an Bord als Trainer für den Skipper, der sich bei der Nutzung einer neuen Software für Routenoptimierung und Wetteranalyse spezialisieren wollte und um ihn seglerisch während der Regatta zu unterstützen. Segelwelt.at stellt professionelle Crew und Trainer für Yachten als Teil der Unternehmenstätigkeit.
Am 20.8. um Mitternacht erreichte die Yacht die Inseln an der Nordostecke Sardiniens, passierte Maddalena und segelte in die Straße von Bonifazio bei mondloser Nacht, 15kn Wind hart am Wind und 9 bis 10kn Bootsgeschwindigkeit. Ich steuerte die Yacht, der Skipper und ein Crewmitglied waren an Deck, der Rest der Crew schlief unter Deck als am 21.8. um etwa 0140 Brandgeruch an Deck wahrgenommen wurde. Aufgrund der Finsternis konnte der Skipper erst am Niedergang angelangt die Rauchentwicklung im Inneren der Yacht feststellen, alarmierte die schlafende Crew, half Crewmitgliedern an Deck, stellte die Vollständigkeit fest, löste mich am Steuer ab und übergab mir die Feuerlöscher. Zu diesem Zeitpunkt alarmierten wir auch die italienische Coast Guard per Funk.
Aufgrund der extremen Rauchentwicklung war ein Vordringen in den Niedergang erst möglich als die Yacht den Kurs änderte und Luken zum Rauchabzug geöffnet wurden. Im etwa 1m tiefen Luftkeil im Rauch konnte ich den Brand im Bereich des Navigationstisches lokalisieren und Flammen durch die Lüftungsschlitze eines Paneels erkennen. Mit den beiden zur Verfügung stehenden Pulverfeuerlöschern war jedoch nur die Ausweitung des Brandes an Oberflächen zu bekämpfen, nicht jedoch hinter den Verkleidungen. Ein weiteres Vordringen und Herangehen an den Brandherd war aufgrund des dichten Rauches nicht möglich. Weitere Feuerlöscher waren im Inneren des Schiffes nicht mehr zugänglich. Als die beiden Feuerlöscher aufgebraucht waren, begannen sich die Flammen sofort mit überraschender Geschwindigkeit über weitere Bereiche des Innenraumes auszubreiten und die Hitzeentwicklung war beachtlich. Es war offensichtlich, dass wir das Feuer nicht weiter bekämpfen können und das Schiff verlassen müssen. Inzwischen waren von anderen Crewmitgliedern die beiden Rettungsinseln der Yacht vorbereitet und zu Wasser gelassen worden. Ich verließ als Letzter die Yacht und schwamm mit dem Funkgerät zur Rettungsinsel, die nicht vom Skipper besetzt war. Dort nahm ich wieder mit der italienischen Coast Guard Kontakt auf und signalisierte unsere Position mit zwei Fallschirmraketen. Um etwa 0220 wurde die gesamte Crew an Bord eines Schiffes der Coast Guard genommen und in den naheliegenden Hafen von La Maddalena gebracht.
Schon beim Erreichen der Rettungsinsel stand die gesamte Yacht lichterloh in Flammen, wenige Minuten später stürzte der Mast brennend in sich zusammen und noch vor Eintreffen der Coast Guard waren Flammen durch die Schiffsseitenwände gedrungen. Vermutlich ist die Yacht innerhalb kurzer Zeit gesunken.
Gefahrenanalyse, Verhalten, Seenot: Per Definition waren Yacht und Mannschaft in Seenot, da über UKW Funk ein "Mayday" Ruf abgesetzt wurde und in Folge rote Signalraketen abgeschossen wurden, beides Signale für Seenot. Während des gesamten Hergangs bestand die größte Gefahr für die schlafenden Crewmitglieder durch die Rauchgase, die Salzsäure und Dioxin enthalten. Als die gesamte Mannschaft an Deck versammelt war, war auch die unmittelbare Lebensgefahr gebannt und der weitere Verlauf von den Entscheidungen und dem Verhalten der Mannschaft abhängig. Für das Verhalten bei Notfällen auf See gibt es Verhaltensroutinen, die in Trainings nach Vorgaben des Weltsegelverbandes ("Special Regulations") unterrichtet werden, Segelwelt.at führt diese Trainings in Österreich durch. Nach dem Verlassen der Yacht bestand für die Crew keine unmittelbare Gesundheits- oder Lebensgefahr unter der Annahme, dass die "Abholung" durch die Coast Guard funktionieren würde. Fehlentscheidungen oder unvorhergesehene Zwischenfälle hätten die Situation sehr wohl wieder umschlagen lassen können.
Nebenaspekt gestrandet in Europa: Die gesamte Mannschaft wurde aufgrund der Geschwindigkeit im Ablauf der Ereignisse nur mit der Kleidung am Leib gerettet. Wir hatten kein Geld, kein Mobiltelefon, keine Papiere und teilweise keine Schuhe mit. Zumindest war es warm und die Kleidung trocknete mit der Zeit auch in der Nacht. Bis wir Geld organisiert hatten, wurden wir aus einer Bank verwiesen, die ohne Schuhe nicht betreten werden durfte, konnten nur per geborgtem Computer Nachrichten versenden, waren nicht erreichbar, konnten uns nichts zu essen oder trinken kaufen und waren vom touristisch pulsierenden Leben um uns vollkommen ausgeschlossen. Nach mehreren Fußmärschen durch Maddalena waren unsere Füße sichtlich ungewaschen, was uns im Zusammenhang mit der unpassenden Bekleidung auch manchmal Ablehnung einbrachte.“