Münchhausen unterwegs
Der als Schwindler enttarnte Deutsche Bernt Lüchtenborg segelt wieder
Ja, Bernt Lüchtenborg wird in die Annalen des Segelsports eingehen, allerdings anders als geplant. Für diejenigen, die es noch nicht mitbekommen haben, hier eine kurze Zusammenfassung nach dem Motto „Was bisher geschah …“:
Ein attraktiver, eloquenter, beruflich erfolgreicher Endvierziger schwört nach Burnout dem bürgerlichen Leben ab und umsegelt, fünf Jahre vor sich hin philosophierend, solo die Welt – das erste Projekt des Bernt Lüchtenborg, famos vermarktet über Buch, DVD und Vorträge („Meereslust“), brachte bei vielen Menschen eine Saite zum Schwingen.
Dann startete der Deutsche, mittlerweile 56 Jahre alt, im Juni 2009 unter Mediengetöse in ein neues, noch gewaltigeres Abenteuer: Zweifache Weltumsegelung, einmal mit, einmal gegen Wind und Strom, alleine und nonstop. Geschickt verquickt mit Umweltschutz und Kinder-Charity, auf dass der tiefere Sinn dieses Rekordversuchs nicht fehle. Die Öffentlichkeit reagierte ob der ans Verrückte grenzenden Dimension des Vorhabens gespalten, Bewunderer und Lästerer hielten sich in etwa die Waage.
Bis sich der vermeintliche Held selbst demontierte, und zwar so nachhaltig, dass etwa der Verein Trans-Ocean laut Homepage erwägt, an TO-Preisträger Lüchtenborg gewährte Fördermittel rückzufordern.
Was war passiert? Zunächst sah es nur nach schlichtem Scheitern aus. Lüchtenborg ließ sich keine fünf Monate nach dem Start südlich von Neuseeland von einem Kreuzfahrtschiff abbergen, da seine Horizons, eine 16 Meter lange Aluyacht, nach Ruderschaden angeblich manövrierunfähig war; sie wurde später von einem Fischkutter in Schlepp genommen und in Sicherheit gebracht. Schon zu diesem Zeitpunkt wurde Lüchtenborgs Verhalten heftig kritisiert, doch es sollte noch dicker kommen. Der 56-jährige musste nämlich zugeben, dass er bereits vorher mehrfach Häfen angelaufen, dies aber verschwiegen bzw. bewusst verschleiert habe. Schlimmer geht’s nicht? Aber ja doch: Lüchtenborg war nämlich auch nicht alleine unterwegs gewesen, sondern hatte von Deutschland bis zu den Kanaren Begleitung an Bord gehabt. Weibliche Begleitung, in Form einer attraktiven Hotelrezeptionistin. Nicht identisch mit seiner Frau Anita Zosso, die er erst im März 2009 geehelicht hatte. Au weia, in einem umfassenderen Schlamassel saß wohl selten ein Mann. Und eine aufwändigere Tarnung eines Seitensprungs hat sich wohl auch noch kein Mann einfallen lassen …
Aber Lüchtenborg ist ein Stehaufmännchen. Er gab zu, was er aufgrund der erdrückenden Beweislast zugeben musste, brachte die Horizons wieder in Schuss und segelte von Bluff aus – nein, kein Scherz, der neuseeländische Hafen, in dem Lüchtenborg seine Karten offen legen musste, heißt tatsächlich Bluff – wieder in die weite Welt, um das, was von seinem Projekt noch übrig ist, irgendwie zu beenden.
Ansehen und Respekt der Seglerszene hat Bernt Lüchtenborg weitgehend verloren, den Hang zum Theatralischen hingegen nicht: Die Götter rufen, „Willkommen“ und „mach was draus“, steht in seinem Logbucheintrag auf www.sail2horizons.com anlässlich des Aufbruch …
Mehr darüber gefällig? In der nächsten Yachtrevue, die am 8. Jänner 2010 erscheint, findet sich eine ausführliche Story über den Münchhausen des Segelsports, profund recherchiert und pointiert formuliert von einem klugen deutschen Kollegen, der die Welt tatsächlich solo umsegelt hat. Ein Gustostückerl – nicht versäumen!!
Foto: sail2horizons