Manöverkritik
Auch die besten Seglerinnen und Segler machen Fehler. Verena Diethelm hat recherchiert, was die häufigsten Ursachen für verpatzte Manöver sind, und Profis gefragt, wie man sich selbst aus der Patsche helfen kann
Situation 1: Es hat sich eine Sanduhr gebildet
Warum ist es passiert?
Gennaker oder Spi verdrehen sich typischerweise beim Setzen oder während einer Halse: Die verwirbelte Luft hinter der Genua (beim Setzen) bzw. hinter dem Groß (primär bei der Halse) lässt das Achterliek rotieren, wodurch eine sogenannte Sanduhr entsteht. Passiert besonders häufig, wenn das Segel bereits gesetzt wird, obwohl der Steuermann noch nicht ausreichend abgefallen ist und sich das Boot noch auf Halbwindkurs befindet. Wie lässt sich das vermeiden? Spinnaker bzw. Gennaker sollten nach dem Manöver schnell Luft bekommen, beim Setzen also das Vorsegel so rasch wie möglich einrollen. In der Halse wird das Risiko einer Verwirbelung minimiert, wenn der Spi zuerst auf der neuen Seite zu stehen kommt und erst dann der Großbaum überkommt.
Was tun, um die Sanduhr zu lösen?
"Hat sich der Spi öfter als zwei Mal eingedreht, muss man das Fall zwei bis drei Meter fieren und dabei die Spannung auf den Schoten halten, damit das Unterliek gespannt bleibt", rät Christian Binder, mehrfacher Olympiateilnehmer, Staats- und Europameister sowie Segelmacher. Achtung: Das Fall darf keinesfalls zu stark gefiert werden, sonst fällt der Spi auch noch ins Wasser. Hat sich ein richtiger Knopf gebildet, kommt man nicht darum herum, ein Crewmitglied zwecks Entwirrung des Segels aufs Vorschiff zu schicken. Dabei ist es nebensächlich, an welchem Liek man zieht, wichtig ist nur, dass nicht an mehreren gleichzeitig gezogen wird. Einfach ist es in keinem Fall, vor allem, wenn sich die Blase zu drehen beginnt.
Situation 2: Der Gennaker hat sich bei der Halse um das Vorstag gewickelt
Warum ist es passiert?
Meist ist ein Steuerfehler die Ursache: Der Rudergänger ist in der Halse zu früh bzw. zu schnell abgefallen, dadurch konnte das Segel nicht ausreichend nach vorne wandern und der Trimmer hatte nicht die Möglichkeit, das Segel zügig um das Vorstag zu ziehen. Bei mehr Wind (ab ca. 7 Knoten) müssen die Schoten rechtzeitig gefiert werden und der Steuermann darf erst durch den Wind drehen, wenn der Trimmer das Segel bereits auf die andere Seite zieht. Bei wenig Wind ist es hilfreich, wenn der Bugmann mit der Schot nach vorne läuft und das Achterliek um das Vorstag zieht.
Was tun, um das Segel zu befreien?
Das Lösen ist vor allem bei viel Wind problematisch, da man das Segel nicht so einfach herunterziehen kann. Noch schwieriger wird es, wenn sich der Spi im Wirbel des Großsegels zu drehen beginnt; dadurch entsteht noch mehr Druck und das Segel wickelt sich noch fester um das Vorstag. Hilfreich kann es sein, zurück zu halsen, damit sich das Segel wieder ausdreht – allerdings nur, wenn sich in Lee kein Land befindet.
Situation 3: Der Gennaker ist ins Wasser gefallen
Warum ist es passiert?
Unterschiedliche Fehlerquellen kommen in Frage. Wird etwa beim Setzen vom Cockpit aus die Tack nicht rechtzeitig gezogen, kann der Gennaker ins Wasser geblasen werden. Umgekehrt kann das Segel ins Wasser fallen, wenn die Halsleine beim Bergen zu früh aufgemacht wurde. Am unangenehmsten ist es, wenn sich das Fall unkontrolliert gelöst hat. “Liegt der Gennaker im Wasser und kommt Zug darauf, hat man kaum eine Chance, ihn wieder zurück an Bord zu holen", warnt Binder.
Wie bekommt man das Segel ohne Schäden aus dem Wasser?
Sofort Fahrt aus dem Schiff nehmen, indem man sich in den Wind stellt – schon 0,5 Knoten können zu viel Speed sein. Auf keinen Fall die Maschine starten. Immer nur an einem (!) Liek ziehen, damit das Wasser abrinnen kann. Um den Druck zu reduzieren, eventuell das Fall zur Hälfte fieren.