Ostsee, Mecklenburg-Vorpommern

Jürgen Preusser über ein interessantes Segelrevier in Mecklenburg-Vorpommern

Wismar ist anders. Während man sich als Autofahrer meist durch Industrieviertel kämpfen muss, um zum schönen Hafen oder historischen Kern vorzudringen, lernen Segler eine Stadt üblicherweise von ihrer schönsten Seite kennen. Bei der uralten Hansestadt verhält es sich umgekehrt. Doch es zahlt sich aus, die paar optischen Hindernisse buchstäblich links liegen zu lassen. Zuerst das modernste Holzverarbeitungszentrum Europas, in dem die österreichische Firma Egger mit Sitz in St. Johann in Tirol den Platzhirschen spielt. Dann ein Kraftwerk, das wie ein Atommeiler aussieht, aber keiner ist, und schließlich die gigantische Fertigungshalle der Werft Nordic Yards, in der gerade ein Supertanker gebaut wird. Ließe man sich von all den Kränen, Schloten und Hallen abschrecken, würde man einen historischen Hafen versäumen, der 1211 erstmals urkundlich erwähnt wurde. Und eine City, die mittelalterlicher und liebenswerter nicht sein könnte, mit ihren Fachwerkhäusern und Backsteinbauten. Nicht umsonst zählen die Altstädte von Wismar und Stralsund seit 2002 zum UNESCO-Weltkulturerbe.
Im Hafen von Wismar, genauer gesagt in der Bar New Orleans, trifft man das gesamte Management der Tiroler Holzfirma. Und Skipper Jan Krause. „Die haben alle bei mir segeln gelernt“, berichtet er stolz. „Ist ja ein perfektes Schulrevier.“ Sehr beliebt seien die Österreicher hier: „Die haben vielen einen Arbeitsplatz gegeben …“ Und ihm zumindest einen Job als Segellehrer. Früher war Krause Trainer des DDR-Spitzenkaders. Allerdings nur auf Binnengewässern. Auf der Ostsee wäre die Fluchtgefahr zu groß gewesen. Auch Teile der nachgebauten Koggen, die längsseits am Altstadt-Kai liegen, wurden von der Firma Egger gefertigt. Das berühmteste dieser mittelalterlichen Handelsschiffe ist die Poeler Kogge, auf der sogar ein nach ihr benannter Schnaps verkauft wird. Der Kahn ist durchaus seetüchtig und segelt mit fünf Knoten gar nicht langsam. Im Westhafen und im südlich gelegenen Wasserwanderrastplatz gibt es gute Liegemöglichkeiten, der Segelhafen ist hingegen nur für kleine Boote geeignet.
Poel ist eine jener mecklenburgischen Inseln, die exemplarisch für den Charme dieses Reviers stehen. Der Leuchtturm Timmendorf ist weithin sichtbar, die Ansteuerung des kleinen Ortes mit endlosem Sandstrand und riesigem Campingplatz je nach Tiefgang navigatorisch anspruchsvoll. Auch Kirchdorf in der langgezogenen Südbucht der Insel ist erreichbar, sofern man sich nördlich der Insel Walfisch – ja, so heißt sie tatsächlich – exakt in der betonnten, sehr engen Fahrrinne aufhält. Umrunden kann man Poel allerdings nicht, weil zwischen dem Osten der Insel, der Halbinsel Wustrow und dem Festland das sogenannte Salzhaff liegt. Mit einem gemieteten Kajak, notfalls auch mit dem Dinghi, lässt sich dieses Marschland jedoch gut erkunden.

Handfeste Vorteile
Flachland hat seine Reize. Wer sich trotz alpiner Herkunft darauf einlässt, wird diese zu schätzen lernen. Etwa den konstanten West- bis Nordwind ohne adriatische Flautenfelder, ohne dalmatinische Fallwinde, ohne atlantische Riesenwellen, ohne Nordsee-Gezeiten. Oder die kurzen Nächte und endlos langen Tage. So kann man im Hochsommer auch nach 21 Uhr locker bei Tageslicht in den Yachthafen von Kühlungsborn einlaufen. Dort gibt es 400 großzügige und weitläufige Liegeplätze zu absolut vernünftigen Preisen. Der Ortsname hat nichts mit der Temperatur zu tun, sondern mit einem Gebirgszug, der in Österreich niemals als solcher durchgehen würde: 130 Meter misst die höchste Erhebung der sogenannten Kühlung. Oben steht der rote Leuchtturm von Bastorf, ein für Segler relevantes Warnzeichen vor der berüchtigten, zwei Meilen breiten Sandbank Hannibal direkt vor der Einfahrt nach Wismar.

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