Ein Sommer wie damals
Verena Diethelm hat bei einem mehrtägigen Törn über den Neusiedler See neue Seiten des vertrauten Reviers kennengelernt.
Vertraute Pfade bergen die Gefahr, irgendwann so ausgetreten zu sein, dass ihr Reiz verloren geht. In den vergangenen Jahren habe ich mich am Neusiedler See hauptsächlich auf der überschaubaren Tangente zwischen Mole West und Strandbar Weiden bewegt. Der Wohlfühlfaktor war zweifelsohne gegeben, die Abenteuerlust kam aber eindeutig zu kurz.
Daher: Schluss mit der Bequemlichkeit! Heuer will ich endlich einen lange gehegten Plan umsetzen und einen mehrtägigen Törn kreuz und quer über den See unternehmen. Wozu hat man schließlich ein Kajütboot und eine Woche Urlaub?
Wie schon so oft richte ich meinen Bug gegen Süden. Anders als sonst ziehe ich jedoch bei auffrischendem Nordwestwind zügig an der Bauminsel und den idyllischen Buchten am Ostufer, in denen ich schon unzählige Male geankert und ganze Wochenenden verbracht habe, vorbei.
Der Wind hat inzwischen so stark zugelegt, dass der Gennaker längst geborgen ist und die Mole beim Podersdorfer Leuchtturm wegen des auflandigen Windes und der unangenehmen, steilen Weile als Übernachtungsplatz ausscheidet.
Aber ich wollte ja ohnehin Neues entdecken. Also steuere ich auf das rote Dach unterhalb des Campingplatzes zu. Dort befindet sich der Südhafen von Podersdorf, der um 1,3 Millionen Euro modernisiert und in der vergangenen Saison eröffnet wurde. Die Einfahrt gestaltet sich bei Nordwest etwas wackelig, aber ist man einmal ums Eck, liegt man im Schutz der vorgelagerten Schilfinseln wie in Abrahams Schoss. Fünf Gästeliegeplätze gibt es an der nördlichen Längsseite des äußersten Stegs. Wir ergattern trotz Voranmeldung den letzten freien Platz, meine Freunde gehen mit ihrem Boot bei mir längsseits. Es ist bereits nach 18 Uhr, der Hafenmeister hat uns den Schlüssel für Stromkasten, Tor und Sanitäranlagen in der Zentrale des Segelvereins Podersorf hinterlegt. Für die Nacht zahlen wir zehn Euro – für zwei Boote wohlgemerkt.
Der Weg ins Ortzentrum führt uns über den Campingplatz, in dem geschäftiges Treiben herrscht. Wir schlendern zwischen bunten Zelten, stattlichen Wohnmobilen und Mobilheimen samt Gartenzwergen herum, als sich die Sonne feuerrot über das Leithagebirge senkt und die gesamte Szenerie in goldenes Licht taucht. Das Grau des Wassers wird zu sattem Blau, es riecht nach frisch Gegrilltem und Sonnencreme, nach Leichtigkeit und Freiheit. Das mediterrane Flair könnte einen glatt vergessen lassen, dass man sich nicht an der Adriaküste, sondern in der Pannonischen Tiefebene befindet. Spätestens jetzt stellt sich echte Urlaubsstimmung ein, die durch die Verkostung diverser erfrischender, nach Sommer schmeckender Gin&Tonic-Kombinationen beim Seewirt noch verstärkt wird.
Vogelperspektive
355 Vogelarten konnten Ornithologen im Nationalpark Neusiedl bisher offiziell nachweisen. Wie viele davon auf der Vogelinsel zu Hause sind, ist nicht bekannt. Dem vielstimmigen Gezwitscher nach trägt die Schilfansammlung südlich von Podersdorf ihren Namen jedoch zu Recht. Am halben Weg zu unserem Tagesziel Rust gelegen, eignet sich der Schoppen ideal für einen Badestopp. Der Untergrund ist hier nicht schlammig, sondern besteht aus hartem Sand und teilweise Schotter. Gut zum Herumplantschen, weil man nicht knöcheltief im Schlamm steckt, aber nicht so gut zum Ankern – wie wir feststellen müssen, als während unserer Mittagsjause das Schilf an uns vorbeizieht …
Nach Rust ist es nur noch ein Katzensprung.