Reizvolle Rauheit
Die Keltische See ist ein herausforderndes, aber sehr naturnahes Segelrevier. Helmut und Hildegard Straßer haben es mehrfach auf einer Charteryacht erkundet und wissen, worauf es zu achten gilt
Die Ankunft in Baltimore, einer 350-Seelen-Gemeinde im Südwesten Irlands, ist immer wieder ein Erlebnis. Am Platz vor dem kleinen Hafen haben sich Einwohner wie Touristen zu Murphy's und Fish of the day eingefunden. Man kennt sich. Aber auch wenn wir vertraute Gesichter entdecken, müssen wir den Tumult zunächst links liegen lassen, denn unsere Vercharterer Con und Mary warten bereits an Bord ihrer Sun Odyssey 42i mit Kaffee und selbstgemachten Scones. Nach der Jause folgt die Schiffseinweisung, die gut zwei Stunden dauert und an Gründlichkeit nichts zu wünschen übrig lässt. Sicherheit hat hier einen besonders hohen Stellenwert, schließlich befinden wir uns auf dem letzten Außenposten an der Keltischen See. Das beginnt beim permanenten Tragen von Rettungswesten und hört nicht bei der stolz und gewissenhaft geführten Station der Royal National Lifeboat Institution auf, die über zwei Rettungsboote verfügt. Wir hoffen, dass wir die Unterstützung der ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer nicht benötigen werden, aber es beruhigt zu wissen, dass sie nur einen Funkspruch entfernt bereit stehen.
Ein Hochdruckgebiet hat sich hartnäckig im Norden der Insel festgesetzt, man spricht von der längsten Schönwetterperiode in Irland seit 50 Jahren. Daher machen wir uns früh am nächsten Morgen Richtung Norden auf, allerdings nicht ohne zuvor dem berühmten Fastnet Rock einen Besuch abgestattet zu haben. Nach langwierigen Vorbereitungen wird die Lampe des Leuchtturms gerade modernisiert, die Spitze ist bereits eingerüstet. Mit südlichem Wind geht es weiter durch die Long Island Bay, am Mizen Head vorbei und nach Durchquerung der Dunmanus Bay runden wir den Sheep’s Head. Aus dem mäßigen Wind vom Vormittag sind 25 Knoten geworden, sie schieben einen sich rasch aufbauenden, beachtlichen Seegang unter unser Heck. Gut, dass wir den Tidenverlauf in die Törnplanung einkalkuliert haben, denn bei Strömung gegen Wind entstehen bekanntlich speziell bei den Kaps gefährliche Brecher. Die entsprechenden Warnhinweise aus den Sailing Directions sollte man ernst nehmen und ausreichend Abstand zu den Klippen halten. Überhaupt spielt man hier nautisch in einer anderen Liga, das wird uns spätestens klar, als uns eine Fallböe voll erwischt und in den unvermeidlichen Sonnenschuss schickt.
Marinas – selten, aber günstig
Um einige Erfahrungen reicher treffen wir am Abend in der Lawrence Cove auf Bere Island ein. Die runderneuerte Anlage ist gut besucht, rund zwanzig Boote sind Dauerlieger, den Gästesteg teilen wir uns mit Iren und Franzosen. Marinas sind in dieser Gegend Mangelware – es gibt je eine auf den Inseln Cape Clear und Sherkin, weitere in Baltimore und Kinsale sowie den ganz neu gebauten Yachthafen in Bantry –, aber angenehm preiswert: Die Übernachtung belastet die Bordkasse mit lediglich 25 bis 35 Euro, Strom und Wasser inklusive. Dusch- und Waschgelegenheiten stehen nicht überall zur Verfügung, wenn, sind sie aber immer gepflegt und sauber; Warmwasser für die Dusche kostet praktisch überall zwei Euro. Wer Diesel benötigt, muss den Reeds Nautical Almanac genau studieren: Von Zapfsäulen, die wie in Lawrence Cove in den Schwimm-Ponton integriert sind, bis zum Kanister-Tragen in Baltimore haben wir alles erlebt, an Stadtmolen ist es auch üblich, dass man per Telefon den Tankwagen ruft.
Auch wenn sich ein Großteil der Iren zum römisch-katholischen Glauben bekennt, wird fast ausschließlich längsseits angelegt. Das erfordert Umsicht, denn man möchte ja nicht bei der Rückkehr vom Pub sein Boot an der Pier meterhoch über dem Wasserspiegel baumeln sehen.