Offen für das Unerwartete
Ein deutsches Eigner-Paar erkundete auf einem 72-Fuß-Halbgleiter die Südküste Siziliens, bummelte durch die Ägadischen Inseln und ließ sich auf Malta von Geschichte und Geschichten verzaubern
Die Isola di Favignana zählt zu den Ägadischen Inseln, der gleichnamige Hafen an ihrer Nordküste darf getrost als Geheimtipp bezeichnet werden. Wir bekommen den letzten verfügbaren Liegeplatz am äußersten Ende eines Schwimmstegs, wo in seichtem Wasser ausschließlich kleinere Boote festgemacht haben. Hier herrscht reges Treiben: Fähren spucken ihre Passagiere aus, Touristenschiffe und ein Red Submarine werben um Kunden, Sportboote aller Art laufen ein und ankern, wo gerade noch Platz ist. Markanter Blickfang in dieser Szenerie ist die am Gipfel eines Berges klebende, weithin sichtbare Ruine des Castello Santa Caterina; nachts wird das Gemäuer von Scheinwerfern angestrahlt und scheint dann wie ein außerirdisches Ufo über dem Ort zu schweben. Der Ort Favignana ist überaus reizvoll, der zentrale Platz ebenso wie die Seitenstraßen voller Leben, die Stimmung ausgelassen. Aus dem Park des Palazzo Florio dringt klassische Musik an unsere Ohren: Auf den Stufen des Haupteingangs haben sich mehrere Sängerinnen postiert und geben Opernarien zum Besten. Wir fühlen uns wie Statisten in einer Freiluftaufführung – wo könnte es schöner sein? Spontan entscheiden wir, einen weiteren Tag in Favignana zu bleiben. Ein Teil der Crew unternimmt eine anspruchsvolle Bergtour zum Castello Santa Caterina, der Rest besucht das Museum in der Tonnara, einer ehemaligen Thunfischfabrik, die von der sizilianischen Familie Florio gegründet und betrieben wurde. Ihre Größe ist beeindruckend und die Gestaltung erinnert an eine Zeit, in der auch Industriebauten mit ästhetischem Anspruch entworfen wurden.
Fürs Abendessen wird uns das Restaurant L’Alencio auf der Westseite des Bergmassivs empfohlen. Von der Terrasse aus hat man einen herrlichen Blick auf die Insel Marettimo und den Leuchtturm Faro di Punta Sottile, das Essen ist hervorragend, die Kapelle, die für musikalische Untermalung sorgt, allerdings so laut, dass wir unseren Gesprächsfluss immer wieder unterbrechen müssen. Aber die fast ausnahmslos italienischen Gäste genießen diese Form der Unterhaltung sehr und eine Dame am Nebentisch gibt sogar eine gekonnte und mit viel Beifall bedachte Gesangseinlage.
Als wir Favignana am nächsten Morgen verlassen, fällt uns der Abschied schwer – dieser Ort wird schwer zu toppen sein. Ehe wir Marsala, unseren nächsten Zielhafen, anlaufen, wollen wir eine Badepause vor der Isola di Levanzo einlegen. Doch noch ehe wir in der Bucht an einer Boje festmachen können, kommt die Policia Municipale im Schlauchboot auf uns zugeschossen. Wir wären in eine Schutzzone gefahren, verkündet man uns im Auftrag des Umweltministeriums, und verdonnert uns zu einer Strafe von 51 €; hätten wir unser Boot schon an der Boje vertäut gehabt, wäre uns das noch teurer zu stehen gekommen. Der Beamte drückt mir einen Prospekt in die Hand, in dem all das eindeutig erläutert sein soll – allerdings ausschließlich auf Italienisch. Tja … Reumütig brummeln wir um die Insel herum zu einem südlichen Bojenfeld, holen unser Bad dort nach und landen schließlich wie geplant in Marsala. Doch weder die Hafenstadt noch der hier hergestellte weltberühmte Likörwein treffen unseren Geschmack, und so ziehen wir bald weiter.
In Licata an der Südküste Siziliens liegen wir in einem großen, gepflegten Yachthafen. Er scheint der örtlichen Bevölkerung als Treffpunkt und Flaniermeile zu dienen, unser Schiff stellt eine Ausnahmeerscheinung dar, die unentwegt bestaunt und fotografiert wird. Welch ein Kontrast zu den großen Marinas, wo wir zwischen Superyachten unbeachtet vor uns hin dümpeln. Am nächsten Morgen besichtigen wir das Castel Sant’Angelo und werden für den schweißtreibenden Aufstieg mit einem prächtigen Blick auf das Meer, den Hafen und den auf dem Berg gelegenen, großen Friedhof belohnt. Wie so oft im Mittelmeerraum hat er einen völlig anderen Charakter als bei uns und wirkt mit seinen steinernen Wegen und Mausoleen fast wie ein eigenständiger Ort.
Magisches Malta
Die Marina di Ragusa ist eine nette, kleine Anlage, umgeben von vielen Ferienhäusern, mit einem Sandstrand ausgestattet – und unser Sprungbrett nach Malta. Bei herrlichen Bedingungen machen wir uns auf die etwa 50 Seemeilen lange Reise, die uns auf schnurgeradem Südkurs nach La Valetta führt. Von weitem wirkt die Hauptinsel unspektakulär, beim Näherkommen vermitteln Hochhäuser, Baukräne und Gerüste das Flair einer Großstadt. Erst bei der Einfahrt in den großen Naturhafen erleben wir Maltas einzigartigen Charme; unser Ziel ist die Grand Harbour Marina, die mitten im Geschehen und in einer Region mit langer Geschichte liegt.
Ein Blick auf die Seekarte zeigt, dass wir uns bereits südlich von Tunis befinden. Mit mehr als 400.000 Einwohnern auf gut 300 Quadratkilometern Fläche gilt Malta als Staat mit der fünfthöchsten Bevölkerungsdichte weltweit, wobei sich der Großteil der Bevölkerung auf die Region um die Hauptstadt Valletta konzentriert. Die maltesische Kultur wurde geprägt von den mediterranen Großreichen, etwa der Karthager, Römer, Byzantiner und Araber, zu denen die Inselgruppe in der Antike und im Mittelalter gehörte. Eine eigenständige Entwicklung erfuhr sie ab 1530 unter der Herrschaft des souveränen Malteserordens. Ab 1814 britische Kolonie, erlangte Malta am 21. September 1964 die Unabhängigkeit. Am 1. Mai 2004 trat das Land der Europäischen Union bei und ist seither deren kleinster Mitgliedsstaat.
Die wechselvolle kulturelle Geschichte begegnet dem Besucher auf Schritt und Tritt. Mal glaubt man in Süditalien zu sein, dann umfängt einen die britische Kultur, während das gesprochene Englisch einen harten arabischen Akzent aufweist.