Gepflegte Freiheit
Die Star Clipper kombiniert den Komfort eines Kreuzfahrtschiffs mit der Atmosphäre eines Segeltörns. Judith Duller-Mayrhofer reiste mit dem Viermaster ab Bali durch die indonesische Inselwelt
Die untergehende Sonne taucht die Bali-See in glühendes Rot, aus den Lautsprechern pulsen eindringlich die dramatischen Klänge der Vangelis-Hymne „Conquest of Paradise“, sanfter Abendwind streicht durch das Haar. Wer da keine Gänsehaut bekommt, muss ein hartes Herz haben. Benoa Harbour, der von Riffen gut geschützte Haupthafen von Bali, liegt mit seiner zwei Kilometer langen Mole und der erstaunlich seichten Einfahrt klar hinter uns, nun werden auf der Star Clipper Segel gesetzt.
Sofort weiß der Körper Bescheid. Das Schaukeln im Rhythmus der Wellen, das Stampfen des Buges, das Krängen in den Böen – der 115 Meter lange Viermaster bewegt sich tatsächlich mit dem Wind. Heute morgen haben wir im kleinen, überschaubaren Terminal eingecheckt und uns dann den Tag mit einem Ausflug in den Süden der bunten Hindu-Insel vertrieben, jetzt gleiten wir unter rasch dunkel werdendem Himmel lautlos Richtung Lombok. Zwei junge Matrosen sind für den Trimm zuständig, nehmen per Hand die Schoten dichter, optimieren so unseren Speed. Wir sind unterwegs.
Rund 130 Gäste aus 17 Nationen werden das Abenteuer Indonesien mit uns teilen; für eine Kreuzfahrt eine lächerlich kleine Gruppe. Das kann nur positiv sein: Es gibt keine Wartezeiten, wenn man von Bord geht und sich per Chip-Karte elektronisch auslesen lässt, kein Schichtsystem bei den Mahlzeiten, keine krampfhafte Bespaßung der Massen. Stattdessen herrscht eine familiäre, gelassene Atmosphäre und Individualität wird groß geschrieben. Wer auf Kommunikation aus ist, findet Anschluss, wer für sich bleiben möchte, ausreichend Rückzugsmöglichkeiten. Wir wollen vor allem warme Luft auf unserer Haut spüren, setzen uns daher nach dem Abendessen, das stets im Dining Room serviert wird, mit unseren Gläsern auf das Vorschiff und schauen in den stimmungsvoll beleuchteten Klüver. Müdigkeit macht Augen und Glieder schwer; die Anreise über Doha war lang, die Zeitverschiebung von sechs Stunden steckt in unseren Knochen. Morgen ist auch noch ein Tag.
Fernab vom Trubel
Und zwar einer der fantastischen Sorte. Zu Mittag fällt unser Anker östlich von Lombok vor Gili Kondo, einem Inselchen, das nicht umsonst zu den Secret Islands gezählt wird. Es ist nicht nur unbewohnt, sondern auch von Touristen weitgehend unentdeckt, belebt lediglich am Wochenende, wenn Einheimische hierherkommen um zu baden und zu campen. Die dreiköpfige Sport-Truppe der Star Clipper, die auch kleine, kinderleicht aufzubauende Sonnenzelte mit im Gepäck hat, bildet die Vorhut und drapiert Windsurfer, Wasserschi, SUP-Board sowie zwei Laser Pico dekorativ im Sand, wir folgen mit dem ersten Shuttle. Wir müssen keine hundert Meter den Strand entlang gehen um ein ruhiges Plätzchen zu finden, an dem wir ganz alleine sind, Blick auf die majestätische Star Clipper inklusive. Flossen, Schnorchel und Taucherbrille haben wir natürlich dabei, wir lassen uns im glasklaren Wasser treiben, umrunden die Insel zu Fuß und nutzen mehrfach das Sportangebot, für das man erfreulicherweise nicht extra zur Kassa gebeten wird. Unglaublich wie schnell die Zeit vergeht; offensichtlich haben wir in den Urlaubsmodus gefunden.
Zurück an Bord machen wir uns für den Abend fein. Wir gehören zu den so genannten Repeaters, die schon einmal eine Segelreise auf einem Star-Clipper-Schiff genossen haben, und werden daher vom Kapitän zu einem Cocktail-Empfang geladen. Mit uns tummeln sich jede Menge andere Gäste am Achterdeck, zählt doch fast die Hälfte der anwesenden Passagiere zu den überzeugten Stammkunden – ein untrügliches Zeichen dafür, dass es eine klare Zielgruppe für diese Art von Reisen gibt. Das deutsche Pärchen, das gestern Abend mit uns am Tisch saß, macht überhaupt nur noch Urlaub am Schiff und hat schon mehr als 30 Kreuzfahrten absolviert, die meisten allerdings auf herkömmlichen Riesen-Pötten. Aber zwischendurch leiste man sich gerne eine Woche auf Star Clipper & Co, so der smarte EDV-Spezialist, da gäbe es zwar weder Casino, Shopping Mall oder Fitnesscenter, aber man fühle sich wie auf einer Privatyacht, bekäme einen aufschlussreichen Einblick in die Großschifffahrt und könne jederzeit mit dem wachhabenden Offizier plaudern. Offene Brücke nennt sich dieses Konzept, das sowohl Segel-Neulinge als auch erfahrene Salzbuckel in seinen Bann zu ziehen vermag; an Bord der Star Clipper sind beide Untergruppen etwa gleich stark vertreten.
Ein echtes Segelschiff
Heute steht die längste Etappe und damit ein ganzer Tag auf See auf dem Programm, das heißt wir haben jede Menge Zeit unser schwimmendes Heim kennenzulernen und die Profi-Crew nach Strich und Faden auszufragen. Die 1991/92 nach traditioneller Methode in Belgien gebaute Star Clipper ist eine Barkantine, das bedeutet, dass sie auf ihren vier Masten sowohl Rah- als auch Stagsegel trägt; insgesamt sind es 16 Stück mit einer Gesamtfläche von 3.365 m2. Diese Rigg-Formation macht sich auch mit kleiner Mannschaft sowie bei allen Windstärken gut und zudem das Schiff sehr gut manövrierbar – nicht umsonst wurden Barkantinen seinerzeit häufig von Piraten genutzt.