Himmel und Hölle

Tahanea ist himmlisch. Nomad schwebt auf der sonnendurchfluteten Lagune, Palmen wiegen sich sanft im Wind, am Außenriff zerschellen Wellen wie weißes Glas. Ich schließe die Augen, lausche der Musik des Atolls und atme den süßlichen Geruch der Tiare-Blüten. Oft schnorcheln wir, dann tut sich direkt unter der Wasseroberfläche ein fremdes Universum auf. Papageienfische, Doktorfische, Zackenbarsche. Ein riesiger Napoleonfisch mustert uns mit rollenden Augen, ein Schwarzspitzenhai zieht elegant vorbei. Oder wir sammeln Muscheln und Schnecken in Schokobraun, Currygelb und Marzipanrosa. Wir genießen Sonnenuntergänge, machen Lagerfeuer am Strand, spazieren bei Vollmond um die Insel. All das.

Tahanea ist höllisch. Innerhalb von Minuten fegt ein Unwetter über die Lagune. Statt des angekündigten Nordwinds tobt es aus Süd mit 40 Knoten. Wir ankern auflandig, starten sofort die Maschine. Wolf steht am Steuerrad und hält mit dem Motor unser Boot gegen den Sturm; immer wieder schert es aus und wird auf die Seite gepresst. Plötzlich reißen die Befestigungslaschen des Dingis ab, es kentert und landet samt Außenborder kopfüber am messerscharfen Riff. Kurz darauf hören wir beängstigendes Rattern und Scheren. Wolf kriecht auf allen Vieren zum Bug und erkennt, dass sich die Ankerabspannung gelöst hat und die Kette aus der Rolle gesprungen ist. Sie liegt nun quer über dem Bugspriet und malträtiert das Vorstag. Immer mehr Kette rauscht über die Ankerwinde aus, springt einfach über die Nuss. Bis Wolf die Kette wieder gesichert hat, stehen wir in der Brandung. Es kachelt mit 50 Knoten, über zwei Meter hohe Brecher ergießen sich übers Deck und ins Cockpit. Wir schicken ein Stoßgebet nach oben, dass wir hier nicht stranden. Wann endet dieser Albtraum endlich? Als der Wind sechs Stunden später nachlässt, gehen wir sofort Anker auf. Dingi und Außenborder können wir erst am nächsten Tag bergen, beide sind ziemlich ramponiert. Noch einmal davongekommen, doch der Schock sitzt tief.