Druckluftbolzenkompressorwinde
So hilfreich sie auf Yachten auch sind: Manchmal kann ich mit Menschen, die Maschinenbau studiert haben, einfach nichts anfangen
Sanfte Mandolinenklänge aus der unwiderstehlich duftenden Bäckerei. Die Zweige der Zypressen durch Spinnweben verbunden, in denen Tautropfen wie Diamanten funkeln. Das leise Rauschen des Meeres. Eine schneeweiße Villa mit azurblauen Fensterläden zwischen Girlanden aus Oleander und Bougainvillea. Ich summ’ die Mutter aller Aussteiger-Songs vor mich hin: „Und irgendwann bleib’ I dann durt…“
In diesem idyllischen Augenblick – ich sag’s eh nicht laut – hätt‘ ich meinen Skipper Georg gern gegen die Frau meines Lebens getauscht.
Sein Blick ist genauso verklärt, allerdings an einem Stahlgebilde hängen geblieben. „Jööööööh! Eine Druckluftbolzenkompressorwinde. Sowas gibt’s bei uns seit dem Ersten Weltkrieg nimmer!“ Georgs Finger scheinen von dem verrosteten Ungetüm magnetisch angezogen zu werden. Zärtlich ertastet er die Konturen des Maschinen-Wracks, das teilweise im Schlamm versunken ist. „A Druckluftbolzenkompressorwinde – ich pack‘ es nicht!“
Ich begreife nur, dass es sich um einen historischen Augenblick handelt, aber nicht warum. „Ha-Haaaa“, johlt Georg. „Die haben … die haben den Schraubfutteransatzstutzen ausgetauscht!“ Dass er mit seinen Sportschuhen bis zu den Knien im Hafenschlick steckt, scheint er nicht zu bemerken.
Dann der Triumph-Schrei, in dem sich seine ehrfürchtige Hochachtung für den Improvisationsgeist des mediterranen Menschen entlädt: „Russisch! Russisch! Mit einer Sperrschulterspange von einem Fiat 123, Baujahr 71, einfach z’samg’hängt! Ha-Haaa! Russisch!“ .
Eine weitere Entdeckung verschlägt ihm schließlich die Sprache. Mit funkelnden Augen beugt er sich über einen vom Rost zerfressenen Fortsatz des Sperrmüll-Monstrums.
„Da sitzt ein Krebs“, wende ich trockenen Fußes ein. Gestört in seiner Andacht, schnippt Georg das respektlose Vieh zurück ins Meer, wo es hingehört. Wie ein Fünfjähriger, der genau weiß, dass er hier und jetzt das allerletzte Osterei finden wird, nähert er sich dem Metallzylinder. Schützend breitet er seine Arme aus, damit ich ja nicht auf die Idee komm‘, dem seit Jahrzehnten in der Brandung korrodierenden Etwas heimtückisch Schaden zuzufügen.
„Da ist er. Da ist er“, flüstert er, als wollte er die bevorstehende Sensation nicht einmal mit mir teilen.
„Da ist wer?“, frage ich. „Ein Hummer?“
„Pssst! Nicht jetzt, bitte!“ Sein Zeigefinger taucht in einen winzigen Ölfleck an der Oberkante des Zylinders. Er schließt die Augen, während seine Zunge die Fingerspitze berührt.
„Gemisch! Gemi-hiisch!“ triumphiert er. „Zweitakt-Gemisch in einer Druckluftbolzenkompressorwinde. Ich hab’s gewusst!“
Mit ausgestrecktem Zeigefinger stürmt er durch den Schlamm auf mich zu. „Das musst du kosten! Zweitakt-Gemisch! Das musst du kosten!“ Zweimal kann ich verhindern, dass er meinen Gaumen durchbohrt, dann hakt sich sein Zeigefinger zwischen Oberlippe und Zahnfleisch ein.
„Irre, gell?“ Er freut sich, als hätte er mir ein selbst gemachtes Vanillekipferl oder einen Über-Drüber-Joint zwischen die Lippen geschoben. „A Druckpress-Zweitakt … ich pack’s einfach nicht!“
Ich auch nicht: „Und was macht so ein Druckwinden-Ding, wenn es nicht gerade im Hafenbecken vergammelt?“
„Ei-ne!“, belehrt er mich. „Ei-ne Druck-luft-bol-zen-kom-pres-sor-win-de! Ei-ne! Nicht ein Druckwinden-Dingsbums, du Ignorant!“
„Ja, okay. Aber wozu braucht man ei-ne...?“
Ungeduldig unterbricht er mich: „Wozu, wozu … Na wozu wird man die wohl brauchen? Für alles braucht man die! Für alles!“
Meine Bemerkung, dass der Mensch ohne Druckwinden-Dings-Brabbel bestimmt noch auf dem Baum hocken und mit Kokosnüssen werfen würde, belastet unsere Freundschaft bis heute.
Wortlos latschen wir zurück zum Schiff. Ich zwei Schritte hinter ihm. Georg hat nur noch den linken Schuh an.