Liebe geht durch den Magen
Canal du Rhone à Sète, Étang de Thau, Canal du Midi – Südfrankreich lässt sich mit dem Hausboot bestens erkunden. Und bietet neben abwechslungsreicher Landschaft kulinarische Höhepunkte aller Art
Weiße Pferde, rosafarbene Flamingos, flaches, weites Land, das sich bis zur einer fernen Gebirgskette erstreckt – alles da, was man von der Carmague erwartet. Und doch entspricht die Szenerie nicht ganz nach unseren Erwartungen. Dass die Rösser an unserer Steuerbordseite nicht mit fliegenden Mähnen über die Ebene galoppieren, sondern brav in einer Koppel weiden, das könnten wir verschmerzen. Was uns wirklich stört, ist der Blick nach Backbord. Dort verläuft eine stark befahrene Straße, die immer wieder nah an den Kanal heranreicht. Es braust der Verkehr, an einer großen Baustelle schuftet ein Bagger, riesige, gesichtslose Wohnhausanlagen ohne jeden Charme machen die Sache nicht besser. Oje. Da hilft nur eines: Die Augen konsequent nach rechts richten …
Gestern Abend haben wir unser schwimmendes Heim in Aigues Mortes übernommen, wo das Charterunternehmen Nicols eine kleine Basis betreibt. Die 13,50 Meter lange Constance ist eine gut ausgestattete Estival Sixto mit einer großen und zwei kleineren Zweier-Kabinen, der ehemalige Kreuzritter-Hafen Aigues Mortes mit seinem von einer dicken Mauer umfriedeten historischen Zentrum ein entzückendes Städtchen. Es liegt nur wenige Gehminuten von der Basis entfernt, bietet alle Einkaufsmöglichkeiten sowie zahlreiche schnuckelige Läden und Restaurants. Ein Leichtes, hier in Urlaubsstimmung zu kommen.
Nun geht es gen Westen; unsere Reise ist als One-Way-Törn angelegt, Endpunkt soll das soll rund 140 Kilometer entfernte Le Somail sein. Noch befinden wir uns auf dem Canal du Rhone à Sete, der die Camargue in meist gerader Linie durchquert. Im ersten Abschnitt unserer Fahrt führt er ganz nah an die Mittelmeerküste heran und so peilen wir den Bade-Ort Palavas-les-Flots als erstes Etappenziel an. Dazu müssen wir von der Hauptfahrrinne abzweigen und den Freizeithafen Paul Riquet suchen, der in unserer Flusskarte als gute Übernachtungsmöglichkeit angegeben ist. Er entpuppt sich als eine Art Camping-Parkplatz, der ausschließlich von Wohnmobilen genutzt wird und zusätzlich über einige Liegeplätze für Boote verfügt. Für 25 Euro gibt es Stromanschluss, Wasser und Sanitäranlagen, das Ambiente ist funktionell, aber ausgesprochen unromantisch. Nichts wie weg; zu Fuß machen wir uns auf den Weg in den Ort. Lokale und Ramschläden aller Art wechseln einander ab, zwischen malerischen alten Häusern wachsen hässliche Neubauten aus dem Boden, der Strand wird von gewaltigen Hotelanlagen dominiert. Alles in allem ein wenig reizvolles Sammelsurium. Leise Enttäuschung macht sich breit: Sind wir den weiten Weg für eine so beliebige Szenerie gekommen? Unsere Stimmung hebt sich erst, als wir in der Nähe der Kirche ein nettes Restaurant finden. Im Bleu Poisson (= blauer Fisch) ist der Name Programm, wir ordern Fischsuppe, die man uns mit getoastetem Weißbrot und würzigem Aioli serviert, Muscheln und den Fang des Tages. Alles schmeckt herrlich, die Preise sind moderat. Fürs erste sind wir versöhnt. Mal sehen, was die nächsten Tage bringen.
Bade- und Gaumenfreuden
Weiße Pferde, rosafarbene Flamingos, flaches, weites Land – und heute stimmt auch der Blick nach Backbord. Dort reckt sich nämlich völlig unvermittelt eine eindrucksvolle Kathedrale in den blauen Himmel, ein mächtiges Steinschiff, das zwischen Meer und Salzwasserlagunen gestrandet zu sein scheint. Wir sind in Villeneuve-les-Maguelone und das unter Denkmalschutz stehende, romanische Kirchengebäude, das sich auf einer mit dichtem Grün bewachsenen Halbinsel breit macht, war einst Bischofsitz und Zufluchtsort für mehrere Päpste.
Wir parken unsere Constance unmittelbar vor einer kleinen Drehbrücke, die nur geöffnet wird, wenn ein Schiff passieren möchte, marschieren etwa einen Kilometer zu der Festungskirche, die mitten in einer gepflegten, parkähnlichen Anlage liegt, und besichtigen, was es zu besichtigen gibt. Danach holen wir unser Badezeug von Bord und lassen uns von dem kostenlosen Bummelzug, der von der Drehbrücke zur Kathedrale und danach weiter zum Strand fährt, ans Meer bringen. Wir sind so gut wie alleine, sammeln Muscheln und glatt polierte Steine in erdigen Farben, bis wir aufgeheizt genug sind, um uns in die noch kühlen Fluten zu stürzen. Im Salzwasser schwimmen – das haben wir auf einer Hausbootreise noch nie gemacht.
Nach einem schnellen Mittagessen auf der Constance starten wir den Motor wieder und tuckern durch eine friedliche, naturbelassene Wasserlandschaft. Zu beiden Seiten breiten sich seichte Seen aus, dazwischen verläuft in ruhigem Einverständnis der Kanal. Entspannend, wohltuend, einfach schön; enttäuscht ist jetzt niemand mehr. In Frontignan ist Schluss für heute. Dort gibt es eine niedrige Hebebrücke, die nur zwei Mal am Tag öffnet, um 8 Uhr 30 und um 16 Uhr. Den zweiten Termin haben wir knapp verpasst. Kein Problem, wir legen uns einfach längsseits (und kostenfrei) an eine kleine Mole, machen unser Boot an den dafür vorgesehenen Pollern fest und absolvieren den obligatorischen Stadtrundgang.
Den gesamten Bericht über diese Hausbootfahrt plus Tipps für empfehlenswerte Restaurants entlang der Route finden Sie in der Yachtrevue 2/2018, am Kiosk ab 2. Februar! Buchbar ist diese Tour direkt bei Nicols unter www.hausboot-nicols.de