Von Freddy bis Rod Stewart

Wenn die Schotten dicht sind, bleibt kein Auge trocken. Das ist keine widersprüchliche Weisheit, sondern ein Tatsachenbericht

Von Freddy bis Rod Stewart

Am 9. April wäre mein Vater 100 Jahre alt geworden. Er stammte aus der Segel-Metropole Kiel. Mit 17 musste er zur Wehrmacht – nicht zur Marine. Ungewöhnlich für den Sohn eines Kieler Seemanns. Aber bezeichnend für meinen Vater, der Boote nicht mochte und schon auf der so genannten Überfuhr seekrank wurde. Nicht etwa auf der Gorch Fock über den Atlantik, sondern auf der Rollfähre über den Wiener Donaukanal.

Traumatisiert vom Krieg, verschlug es ihn ins Binnenland Österreich, wo er eine Wienerin heiratete. Bisher ist genau gar nichts komisch an dieser Geschichte. Aber jetzt kommt’s: Offenbar aus Bosheit oder Widerspruchsgeist wurden seine drei Söhne Segler. Und auch unsere Mutter liebte das Meer: Als Witwe machte sie eine Kreuzfahrt nach der anderen. Und jetzt schicken uns die Eltern immer wieder kleine Erinnerungen aus dem Jenseits, indem sie ungewöhnlich viele Menschen in unserem Blickfeld ins Wasser fallen lassen.

Da war einmal der Robert, der seine Gitarre holen wollte, um in der Taverne groß aufzuspielen. Mit einem aus dem Dingi und zwei Leinen konstruierten Lift versuchte er zurück an Land zu gleiten, verlor das Gleichgewicht und plumpste rücklings von Bord. Mit dem Kopf unter Wasser streckte er seine Gitarre wie eine Fackel in die Höhe. Hätte ihm nach einer halben Minute nicht einer von uns die Klampf’n aus der Hand genommen, er wäre ertrunken. Als der getrocknete Robert wenig später aufgefordert wurde, den Freddy-Quinn-Schlager „Die Gitarre und das Meer“ zu spielen, wurde er grob und konterte mit dem Ambros-Hit „Skifoahrn“.

Da war einmal die fünfköpfige Crew, die versuchte an einem steil abfallenden Kiesstrand auf Mallorca ins Dingi zu klettern. Und das vor gut 500 Touristen, die man offenbar eigens für dieses Spektakel in Bussen angekarrt hatte. Im entscheidenden Moment gurgelte ein Partyschiff am Strand entlang und erzeugte heftige Brandung. Die Country-Musik aus den Lautsprechern passte wie bestellt zum nun folgenden Schlauchboot-Rodeo. Zur Textzeile „like a rhinestone cowboy“ gingen die ersten beiden baden. Bei „riding out on a horse in a star-spangled rodeo“ folgten die übrigen drei.

Da war einmal ein sturzbetrunkener Schotte, der an einem türkischen Strand von seinen Freunden irrtümlich in mein Dingi verladen wurde. Die anderen dichten Schotten beknieten mich, den Hundert-Kilo-Mann, der regungslos und steif wie ein Brett im Boot lag, beim Gulet ihrer Reisegruppe abzusetzen. (Bevor ich jetzt als verantwortungsloser Skipper abgestempelt werde, sei betont, dass ich nüchtern war.) Zwanzig Meter vor dem hölzernen Zweimaster wollte ich den grunzenden Kelten mit dem Satz „we are almost there“ beruhigen. Leider hörte er nur „we are there“, stand ansatzlos auf und stieg über Bord. Ich würgte den Außenborder ab, schnappte die Hände des Röchelnden und band ihn mit dem Gesicht zum Schlauchboot fest. Im Türkensitz – passend zum Land – paddelte ich den Rest der Strecke und übergab Mister McDrunk seiner Crew. Bei der Rückfahrt zum Strand wollten mir die anderen Schotten helfen, indem sie mir mit ihren Taschenlampen genau in die Augen leuchteten. So übersah ich die Ankerkette eines anderen Gulets und wurde selbst aus dem Dingi katapultiert. Pitschnass setzte ich mich zu meinen Freunden an den Strand, wo Robert gerade „I am sailing“ krächzte. Eine glatte Verhöhnung, dass dieser Welthit ausgerechnet von einem Schotten stammt ...

Wie an dieser Stelle bereits in der März-Ausgabe geschrieben, sagt das Schiff zum Seemann: „Schütze du mich vor dem Land, dann schütze ich dich vor dem Wasser.“ Aber wer zum Teufel schützt uns vor dem Dingi?

Und irgendwo auf Wolke 7 sitzt der Papa und frohlockt: „Ich hab’s euch ja immer schon gesagt!“

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