Stetig in Bewegung
Vor 60 Jahren gründete der Kalifornier Lowell North die gleichnamige Segelmacherei, die bis heute für technische Innovation und Erfolg im Regattasport steht. Nun will man mit dem 3Di-Nordac-Tuch das Fahrtensegel revolutionieren
Ein junger Flugzeugingenieur, der viel vom Segeln, aber wenig über das Segelmachen weiß, rutscht in einer Garage am B-Street-Pier in San Diego auf Knien über den staubigen Boden; der um wenig Geld gemietete Raum ist nicht einmal 60 Quadratmeter groß, düster und laut. Aber es reicht um ein Großsegel für das Starboot fertigen zu können, und darauf kommt es Lowell North an. Wir schreiben das Jahr 1957. North hat gerade die Starboot-Weltmeisterschaft gewonnen und zählt zur Elite der US-Segler. Als Unternehmer betritt er allerdings Neuland. Aber er weiß, was er will: Schnelle Segel schneidern. Und das begreift er nicht als Kunst, wie viele seiner Kollegen, sondern als Wissenschaft. Der 28-jährige North kompensiert seinen Mangel an Erfahrung, indem er sich Testreihen ausdenkt – ein ungewöhnlicher Zugang in diesen Zeiten. Dabei beweist er sowohl Ausdauer als auch Kreativität. Um herauszufinden, welches Segeltuch wie rasch ermüdet, befestigt er beispielsweise schmale Streifen des jeweiligen Materials an seiner Auto-Antenne und fährt dann mit 30 km/h über die Landstraßen rund San Diego. Dieser „Flatter-Test“, wie North es nennt, markiert den Beginn der Materialentwicklung im Segelsport, wie sie heute selbstverständlich ist.
Ab den späten 1950er Jahren war Dacron, ein Patent des US-amerikanischen Herstellers DuPont, das Maß der Dinge, eine dreidimensional hergestellte Ware aus Polyester-Faser, die zum einem Tuch verwebt wurde. Dacron hat viele Vorteile: Es ist langlebig, dauerbelastbar, knickunempfindlich, verträgt UV-Strahlung und lässt sich gut zusammenlegen. Aber es dehnt unter Belastung stark. In den Praxis bedeutet das, dass das Segel mit zunehmendem Wind bauchiger wird und dieser Bauch auch noch nach achtern wandert – beides Effekte, die nicht wünschenswert sind. Sie machen das Boot langsamer und vergrößern die Krängung, was hoch am Wind die Abdrift erhöht. Obendrein wird der Ruderdruck über das gewünschte Maß hinaus verstärkt. Das bremst, stört den Steuermann oder zwingt den Autopiloten härter zu arbeiten. Mit der Zeit werden diese Veränderungen unumkehrbar – das Profil stirbt. Das Segel wirkt intakt, seine Fasern halten, es arbeitet aber ineffektiv; wie ein Vierzylinder, der nur noch auf drei Töpfen läuft.
Lowell North, der inzwischen bei den Olympischen Spielen 1964 die Bronzemedaille im Drachen,1968 Gold im Starboot sowie weitere vier Starboot-WM-Titel geholt hat, sucht daher nach einer neuen, besseren Lösung. An seiner Seite hat er ehemalige Kollegen und Konkurrenten, die ihr Know-How als Loft-Manager in das Unternehmen einbringen, darunter Legenden wie Tom Schnackenberg oder Ken Read, sein Starboot-Vorschoter Peter Barrett zieht mit ihm als Vizepräsident die Fäden und an einem Strang. „Tiger“ nennt North diese hoch dekorierte Kerntruppe, ihre Ideen sorgen für ständige Innovation und ordentlich Profit.
Wie andere Produzenten auch findet North das Heil in dehnungsärmerer, aber auch empfindlicherer und immer kostspieligerer Rollenware aus Gelegen verschiedener Materialien, kombiniert mit einer Folie (beispielsweise Mylar, Hostaphan) und Schutzgeweben (Taffeta). Aus Faser, Folie und Taffeta klebt man unter hohem Druck Laminate zusammen, die Tücher sind meist im Radialschnitt verarbeitet. Das erste Laminat-Segel von North wird 1977 auf dem Zwölfer Enterprise gesetzt, jener von Olin Stephens gezeichneten Yacht, mit der Lowell North für die USA den America’s Cup verteidigen will; er unterliegt aber Ted Turner und seiner Courageous.
Aufbruch in die dritte Dimension
1984 zieht sich Lowell North aus dem Unternehmen zurück und verkauft seine Anteile an den Industriellen Terry Kohler, ebenfalls ein Segler. Norths Ideologie und sein Glaube an technologischen Fortschritt durch Wissenschaft und empirische Tests bleiben aber als Rückgrat erhalten. 1992 kommt das dreidimensional laminierte Tuch 3DL auf den Markt.