Kreuz und quer
Jürgen Preusser segelte wochenlang durch ein ihm bestens vertrautes Revier und erlebte dennoch die eine oder andere Überraschung
Die Bucht von Rukovac auf der Insel Vis ist zwar nach Osten offen, doch die beiden vorgelagerten Inselchen Ravnik und Budikovac bieten sowohl bei Bora als auch bei Jugo meist ausreichend Schutz. Die Bojen sind sicher. Es zahlt sich aus, dort festzumachen. Denn die neu übernommene Taverne Dalmatino könnte zum Highlight des Törns werden: Traumhafte Lage, preiswertes Essen, erlesene Weine. Und weil die jungen Pächter sehr ehrgeizig sind, öffnen sie bereits Anfang April und schließen erst mit dem letzten Oktober-Wochenende.
Vor- und Nachsaison bringen in Dalmatien oft kühle Starkwind-Tage in Serie. Gerade in diesen Phasen ist die Insel Vis viel mehr als ein Geheimtipp: Hier draußen verliert die Bora oft einen Teil ihrer Wucht. Man muss nicht gleich in die westliche Stadt Komiza flüchten. Im nordöstlichen Hafen der Stadt Vis liegt man bei solchen Verhältnissen zwar etwas unruhig, aber sicher. Nicht selten ist es hier auch um ein paar Grad wärmer als auf den Inseln in Festlandnähe. Im Sommer findet man hier eine offene Taverne neben der anderen, doch ab Oktober bleiben viele der alten Holztore geschlossen. Am 15. Oktober, dem letzten Tag vor der Winterpause, stolpern wir in einer Seitengasse ins Nona Darinka. Herrliches Essen von Pizza bis zu edlem Fisch, moderate Preise, exzellenter Wein. „Eine Flasche geht immer noch“, sagt der junge Wirt. Und der alte Wirt entschuldigt sich für die Aufdringlichkeit seines Sohnes, indem er eine zweite dazustellt. Heute ist uns das egal: Dreißig Meter sind es bis zu unserer Passarella, die schaffen wir unfallfrei.
Jede Menge Abwechslung
Mitte September bis Ende Oktober, das ist seit Jahrzehnten unsere Lieblingszeit in Kroatien. Die Erfahrung lehrt: Alles ist möglich – wie beim Lotto. Wir hatten Wochen mit 30 Grad bei 4 Knoten Wind, wir lagen in Buchten bei 4 Grad und 30 Knoten Bora. Wenn sich die Sonne zeigt – wie meistens bei Bora – kann man durchaus noch Schwimmen. Das Wasser hat bis Ende Oktober fast immer knapp über 20 Grad.
Der Jugo bringt manchmal Regen. Vor allem kurz bevor er in eine kühle Bora übergeht. Diesmal müssen wir drei volle Schnürlregen-Tage in Vodice, Sibenik und Skradin abwettern. „Das ist sehr ungewöhnlich für diese Jahreszeit“, sagt der Hafenmeister des Süßwasserhafens am Oberlauf der Krka. „Der Herbst ist und bleibt trotzdem die schönste Zeit“, fasst er zusammen. „Und der Frühling. Vielleicht auch der Sommer …“ Wirklich stressfrei sei es inzwischen nur im Winter. „Wir sind hier immer ausgebucht“, sagt er. Auch unsere Crew kommt erst beim zweiten Versuch in der Marina Skradin unter. Diese wird zurzeit auf der Seite der Altstadt entscheidend vergrößert. Die neue Hafenmauer ist fertig, die Anschlüsse fehlen noch. Und ein paar Felsen müssen wohl auch noch entfernt werden. Das Süßwasser ist hier so klar, dass man jeden einzelnen genau erkennen kann.
Wir nützen den Tag zu einem Ausflug. Per Touristen-Boot im Ölzeug zu den Krka Wasserfällen. Der spektakuläre Rundgang dauert mehr als eine Stunde. Wassermassen wie im Frühjahr aufgrund des Dauerregens. Auch die große Stadt Sibenik – einst wichtigster Stützpunt der k.-u.-k.-Marine – hat an so einem Tag einen gewissen Reiz. Die etwas abgelegene Marina Mandalina ist neu ausgebaut und sicher. Doch auch hier gilt: Bitte mindestens 48 Stunden vorher anmelden – auch im Herbst! In manchen Marinas funktioniert dies noch per Telefon. Zum Beispiel in Vodice. Dort bekommen wir einen Liegeplatz, obwohl eine Flotte unter russischer Flagge hier ebenfalls anlegen muss. Mit gutem Willen ist vieles möglich: Die außergewöhnlich engagierten Marineros verholen die Katamarane in seichtere Gewässer, um wirklich alle Gäste unterzubringen. Zwanzig Yachten legen hintereinander bei Starkwind an. Dass es bei jedem zweiten Manöver ordentlich kracht, scheint keinen zu stören.
Im Sommer ist die Promenade von Vodice eine gemäßigte Partymeile. Im Herbst zum Glück nicht. Das mag auch an Corona liegen, in unserem Fall liegt es an einem weiteren Platzregen. Schlechtwetterprogramm: Aquarium & Museum of Maritime Tradition. Die dort angestellte Zoologin freut sich über die seltenen Gäste und bringt uns die Fauna der kroatischen Adriaküste so nahe wie niemand zuvor. Unter anderem erfahren wir, dass eine Muräne eigentlich ein ganz nettes Tier ist. Solange man ihr keinen Finger ins Maul steckt.
Inzwischen hat die neue Bora die alten Regenwolken weggeblasen. Ein Starkwind-Ritt bei strahlendem Sonnenschein bringt uns nach Kaprije. Dort liegen sehr sichere Bojen, wenn auch mit etwas zu geringen Abständen, und dort befindet sich das Gasthaus Adriana, wo man sich schon am Handy höchst willkommen fühlt. Das Abendessen ist ein Highlight und diesmal viergängig, weil wir den Lunch an diesem geilen Segeltag einfach vergessen haben.
Apropos Abendessen: Mein Langzeitfavorit ist das Mandrać in Veli Iž, ebenfalls empfehlenswert die Peka-Schmiede des fülligen Dorfwirts der Insel Premuda – diesmal der nördlichste Punkt unseres Törns.
Ein wichtiger Tipp für alle Kroatien-Neulinge: Versucht euch die (richtigen) Telefonnummern möglichst vieler Wirtshäuser zu notieren. So kann man am sichersten feststellen, ob das Lokal schon oder noch geöffnet ist. So kann man auch auf einen sicheren Liegeplatz hoffen. Ja, sogar in den Kornaten. In der Konoba Levrnaka auf der gleichnamigen Insel agieren alle Kellner nebenbei wie ausgebildete Marineros. Das Lokal ist nicht billig, die Qualität jedoch außergewöhnlich. Gleiches gilt für das Piccolo in der einzigen Bucht der Mini-Insel Smokvica an der Südspitze von Kornat. Beide Junior-Wirte verstehen etwas vom Segeln (und vom Anlegen). Und von der Gastronomie erst recht.
Manche Segler finden es unverschämt, wenn der Wirt in einem Nationalpark Liegegebühr verlangt. Aber: Er kassiert, weil er selbst zahlen muss. Die Nationalpark-Verwaltung will sich schadlos halten. Vor Anker oder an Bojen müssten die Crews ja auch bezahlen. Darüber darf man sich sehr wohl ärgern. Einige Wirte stehen mit den Behörden aus diesem und aus anderen Gründen seit zwei Jahren auf Kriegsfuß. Sie haben Bojenfelder abgebaut und lassen Anwälte für sie arbeiten. Das Argument der Gegenseite: Umweltschutz kostet sehr viel Geld. Als ausländischer Skipper sollte man nicht darüber urteilen, ob es sich um reine Abzocke oder um echten Naturschutz handelt. Die Ranger sind jedenfalls meist freundlich, hilfsbereit und entsorgen falls gewünscht den Müll. Es gibt aber auch schwarze Schafe.
In der Marina Zut legen wir diesmal nur an, weil wir ein kleines technisches Problem haben. Ein zufällig anwesender Elektriker bereinigt es innerhalb von drei Minuten. Wir dürfen sogar etwas Wasser tanken, ohne zu bezahlen, ehe wir wieder ablegen. Schon im Frühjahr hat sich das weit verbreitete Vorurteil „die Marina Zut samt Restaurant ist eine unfreundliche Touristenfalle“ nicht bestätigt. Okay, der kroatische Charme mag manchmal etwas kratzbürstig klingen, doch Versorgung und Verpflegung haben wir als preisgünstig und angenehm empfunden.
Preis und Qualität im Lot
Generell stellen wir – unabhängig von Corona – eine gewisse Trendumkehr fest: Bis vor etwa drei Jahren stiegen die Preise und verhielten sich damit verkehrt proportional zu Qualität und Gastfreundschaft. Seither pendelt sich das Preis-Leitungsverhältnis auf einem gewissen, recht guten Niveau ein.