Bavaria C42
Bei der ersten Neuentwicklung nach dem Konkurs bewies Bavaria Innovationsgeist und kombinierte alte Stärken mit bislang ungekannten Tugenden
Für diesen Test nahmen wir uns viel Zeit: Eine Woche lang waren wir mit der Yacht, die aus der Feder des italienischen Konstrukteurs Maurizio Cossutti stammt, in Kroatien unterwegs – und wurden in Marinas und Buchten, an Stadtmolen und Konoba-Stegen ungewöhnlich oft darauf angesprochen. Offenbar zieht die Bavaria C42 die Blicke auf sich und hebt sich von der Fülle der diversen Neuerscheinungen wohltuend ab. Dafür mitverantwortlich ist das eigenständige Rumpfkonzept. Den geraden Bugsteven und Chines, die sich vom Heck bis weit nach vorne erstrecken, kennt man, auffällig sind hingegen die enorme Breite von 4,29 m, die sich nach achtern hin nicht verjüngt, und der sehr voluminöse Vorschiffsbereich. Was Bavaria V-Bug nennt, hat einen guten Grund: Je breiter das Heck einer Yacht ist, desto mehr Volumen muss der Designer in den Bug packen, andernfalls vertrimmt das Boot bei Lage, weil es nach vorne abtaucht und in den Wind schießen will. Dieses Problem haben die Konstrukteure inzwischen gut im Griff, allerdings verfügen nahezu alle Yachten mit extrem breiten Rümpfen über zwei Ruderblätter. In Kombination mit den Chines sorgen sie in der Regel für einen fantastischen Geradeauslauf und machen das Schiff auch im überpowerten Zustand gut beherrschbar.
Cossutti hat bei der C42 trotz des breiten Hecks auf doppelte Ruderblätter verzichtet und ihr stattdessen ein tiefgehendes Spatenruder spendiert. Vorteile sind geringere Herstellungskosten sowie eine bessere Manövrierbarkeit unter Motor (Stichwort Eindampfen, das mit Doppelruderanlage nicht funktioniert), man durfte aber gespannt sein, wie die C42 mit dieser Lösung in starken Böen zurechtkommt.
Sparen, aber richtig
Apropos Herstellungskosten: Diese in den Griff zu kriegen, ist derzeit die vordringlichste Aufgabe von CEO Michael Müller, der die Werft nach dem Konkurs vor zwei Jahren übernommen und anschließend wieder auf Spur gebracht hat. Im Interview mit der Yachtrevue (siehe YR 5/20) kritisierte er, dass man es in der Vergangenheit verabsäumt habe, die neuen Boote ausreichend zu industrialisieren. Sie wären zu kompliziert in der Fertigung und daher nicht marktfähig, so sein hartes Urteil. In seinem ersten Jahr holte Müller Versäumtes nach und brachte die bestehende C-Linie (C 45, 50, 57) in dieser Hinsicht auf Vordermann. Die C42 ist die erste Neuentwicklung unter seiner Ägide und gibt die künftige Stoßrichtung vor: Sie soll stabil, widerstandsfähig und voll entwickelt sein sowie einen guten Wiederverkaufswert haben. Und natürlich will die Werft damit Geld verdienen …
Ein Baustein in diesem System ist die sogenannte Gleichteilestrategie. Sie wurde bereits von Winfried Herrmann, dem Gründer von Bavaria, höchst erfolgreich eingesetzt und kommt nun wieder zur Anwendung. Beispiel dafür ist die Badeplattform, die bei der C42 und der im August via Renderings vorgestellten C38 ident ist. Das Konzept funktioniert auch in vielen anderen Bereichen (etwa Schapps etc.), hat keine Nachteile, spart aber viel Geld in der Produktion.
Zum Segeln geboren
Breite Yachten segeln nicht gut? Dieses immer noch weit verbreitete Vorurteil kann Bavaria mit der C42 eindrucksvoll widerlegen. Sie wird serienmäßig mit Selbstwendefock und Standardgroß ausgeliefert, gegen Aufpreis gibt es eine optionale Genua, Rollgroß und Bugspriet. Unser Testschiff war mit Rollgroß und Selbstwendefock bestückt, beides hochwertige EPEX-Membransegel, die auch als Regattagarderobe taugen; das Groß mit vertikalen Latten und leicht überrundetem Achterliek firmiert bei Elvström unter der Bezeichnung Fat Furl. Der Mast steht weit achtern, was eine große, leistungsfähige Selbstwendefock ermöglicht. In der Standard-Konfiguration finden sich zwei Winschen beidseits des Kajütdachs, in der Praxis wird man zumindest ein weiteres Paar auf den seitlichen Sülls ordern, damit man wahlweise mit Genua, Code 0 oder Gennaker fahren kann. Für Eigner, die vorzugsweise alleine oder mit kleiner Crew segeln, besteht außerdem die Möglichkeit, je eine Winsch für die Großschot (German Main Sheeting) beidseits der Räder zu ordern.
Am Testschiff wurden Selbstwendefock und Groß über die Winschen beim Niedergang gefahren. Ein Traveller ist nicht vorgesehen, stattdessen gibt es beidseits des Niedergangs außen am Kajütdach montierte Blöcke und im Normalfall zwei getrennte Schoten, die via Baum zum Mast und von dort auf je eine Winsch an Backbord und Steuerbord geführt werden. Beim Segeln lässt sich dann der Baum mit der Luvschot mittschiffs holen, mit der Leeschot justiert man dessen Höhe – mehr Schotzug schließt das Achterliek, weniger öffnet es.