Katalanische Abwege
September 2020: Die private Monatsbilanz von Judith Duller-Mayrhofer
Theorie. Bin schon auf vielen Booten gesessen, aber noch nie auf einem, das aus Überzeugung ohne Ruder gesegelt wird. Das Ding heißt Patin a Vela, ist angeblich im Großraum Barcelona weit verbreitet, gehört Clubkollegen N. und soll von mir ausprobiert werden. N erklärt mir im Vorfeld detailliert, wie man den Kat alleine durch Gewichtsverlagerung steuert, und ist voll Begeisterung über die „maximale Reduktion“ des Konzepts. Mir erschließt sich zwar nicht, warum man so bewährte Hilfsmittel wie Ruderblatt und Pinne wissentlich ignoriert, aber die Katalanen werden schon wissen, was sie tun.
Praxis. Geselle mich also zu N. an Bord und bekomme eine kurze Einschulung. Zwischen den Rümpfen gibt es lediglich Querstreben, kein Netz, Fehltritte also eher ungünstig. Blöd nur, dass man bei der Wende mit der Schot in der Hand zum Mast laufen, dort auf die andere Seite wechseln und wieder zurück turnen muss; dabei wird der Körper in das Segel gedrückt, um es back zu halten, was die Angelegenheit nicht gerade erleichtert. Flüssig und elegant sei diese Bewegung auszuführen, schärft mir N. ein und saust zwecks Demonstration flink wie ein Wiesel über den Patin. Dann steigt er aufs Begleitboot und überlässt mich meinem Schicksal. Geradeausfahren gelingt gut, das Wenden ist reinste Demütigung. Auf allen Vieren krieche ich auf dem schmalen Rumpf nach vorne, wackle ins neue Luv, versuche wie gefordert mit meinem Hinterteil das Segel zu kontrollieren und arrangiere gleichzeitig eine Art Selbstfesselung mit der Schot. Spätestens jetzt ist mir klar: Die spinnen, die Katalanen.