Quentin und ein Tampen namens Lämpel

Klugscheißer. Die geniale Taktik eines kreativen Altmeisters hat meine nautische Lebensqualität entscheidend verbessert

Quentin und ein Tampen namens Lämpel

B-Schein-Neulinge neigen dazu, andere Crewmitglieder mit ihrem frisch gewonnenen Wissen zu terrorisieren. Eines vorweg: Ich war auch so. Mit etwas mehr Salz am Buckel habe ich mich später oft über die Belehrungen diverser Novizen geärgert. Ja, zum Teufel! Ich weiß, dass es ‚Rundachtern‘ heißt und nicht ‚rüber mit der Wäsch‘. Dass man ‚Rudergänger‘ sagt und nicht ‚Steuermann‘, obwohl es sich um einen Steuermann handelt. ‚Maschinenfahrzeug achteraus‘ ist genauso gefährlich wie ‚Frachter von hinten‘, verdammt!

Doch dann hatte ich das Vergnügen mit einem Altmeister namens Quentin segeln zu dürfen. Außer uns beiden befanden sich fünf frisch gebackene Segelschein-Besitzer – offenbar lauter Vorzugsschüler – an Bord. Der Schlimmste hieß Lämpel; wie der Lehrer bei Wilhelm Busch, der von Max und Moritz verstümmelt wird.

Gleich nach dem Auslaufen aus Livorno ein überraschendes Naturschauspiel.

Quentin: „Jö, schaut! Ein Walfisch!“
Lämpel: „Ein Wal ist kein Fisch, sondern ein Säugetier.“
Quentin: „‘Wal‘ bedeutet bei den Tschuktschen auf der Halbinsel Kamtschatka ‚nicht‘. Daher heißt ‚Walfisch‘ eigentlich ‚Nicht-Fisch‘ und ist somit richtig.“

Sollten Sie zufällig des Tschuktscho-Kamtschadalischen mächtig sein, werden Sie bemerkt haben, dass die Geschichte frei erfunden ist. Genau darin liegt Quentins Geheimnis! Er kontert sinnlose Belehrungen mit völlig aus der Luft gegriffenen Erklärungen.
Der Törn nahm seinen Lauf.

Quentin: „Fahr rechts an der Boje vorbei!“
Lämpel: „Du meinst wohl, ich soll das Kardinalzeichen, das backbord voraus liegt, an dessen Steuerbordseite runden.“
Quentin: „Ja, aber halte hundert Meter Abstand.“
Lämpel: „Du meinst, ich soll mich eine halbe Kabellänge freihalten?“

Quentin wartete, bis Lämpel das Seezeichen schulmäßig passiert hatte. Erst dann sein Kommentar: „Die Italiener sagen ‚boa‘ zu den Seezeichen, weil man sich wie eine Boa daran vorbeischlängelt. Und ‚boa‘ heißt übersetzt eben ‚Boje‘. Der Begriff ‚Kabellänge‘ wiederum ist in Italien verpönt, weil er in der Mafiasprache bedeutet, dass jemand noch eine Kabellänge zu leben habe, weil er erdrosselt werden soll. ‚Kabellänge‘ oder ‚lunghezza del cavo‘
ist also nichts anderes als ein Mordauftrag.“
Lämpel hielt auch diese Erklärung für wahr, aber nicht für lebensbedrohlich. Er belehrte den Skipper beharrlich weiter, während die anderen Musterschüler Quentin bereits durchschaut hatten.

Quentin: „Anker einholen!“
Lämpel: „Richtig muss es heißen: ‚Anker auf!‘“

Jetzt meldete ich mich zu Wort: „Bitte nicht! Das letzte Mal, als ich ‚Anker auf!‘ gesagt habe, hat ein rasend talentierter Mitsegler den Palstek am Ende der Ankerkette gelöst.“ Im Gegensatz zu Quentins G’schichterln, hatte mein Veto einen wahren Hintergrund. Nur Lämpel glaubte mir: „Du meinst: Er hat den Tampen am obersten Glied der gesteckten Kette freigemacht“, ereiferte er sich. Ich pendelte kurz zwischen Wutanfall und Lachkrampf, entschied mich für den Lachkrampf. Ich hielt Lämpels Abhandlung für völlig idiotisch, war aber zu faul, um in der Seemannschaft, dem allwissenden Handbuch für den Yachtsport, nachzuschlagen. Quentin nahm mir die Arbeit ab: „Weißt du, dass ‚Tampen‘ auch noch eine andere Bedeutung hat?“ Lämpel wurde nervös: „N… nein. A… aber so bezeichnet man das Ende einer Leine. Das Wort wird jedoch oft fälschlich für ein Stück loses Tauwerk missbraucht … oder?“

Quentin: „Nein. ‚Tampen‘ sagen die Ostfriesen zu einem Blödschwätzer, der beim Anker-Einholen um ein Haar eine andere Yacht rammt. Lämpel, du Tampen! Schau nach links, gib Vollgas und halt‘ endlich die Papp’n!“
In diesem Moment durchschaute endlich auch der Dümmste an Bord Quentins Spiel. Von nun an verhielt sich Lämpel ruhig, demütig und unauffällig. Ich werde einen Leserbrief an die Redaktion der Seemannschaft schreiben: Das unmissverständliche „Halt‘ die Papp’n!“ muss endlich in die Liste nautischer Kommandos aufgenommen werden!

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