Ungleiche Schwester
Die Solaris 55 kann ihre Herkunft nicht verleugnen. Im direkten Vergleich mit der Solaris 58 tun sich aber beachtliche Unterschiede auf
Die Werft aus Aquilea nahe Grado hat in den letzten zehn Jahren eine bemerkenswerte Entwicklung durchgemacht. Parallel zu den Custom- und Semicustom-Yachten, für die man einst ausschließlich bekannt war, wurde eine komplette Palette an Serienyachten auf den Markt gebracht, die mittlerweile acht Modelle zwischen 37 und 58 Fuß umfasst. Dabei ist es Solaris gelungen eine eigenständige DNA zu entwickeln. Den Beginn machten Solaris 48 und 60, beide vom Megayacht-Spezialisten Bill Tripp gezeichnet. Auf Tripp folgte Javier Soto Acebal. Der aus der Racing-Szene bekannte Argentinier erhielt von der Werft freie Hand. Er impfte den Yachten jenes Gen ein, das seither die Neuerscheinungen bestimmt, wobei jedes Folgemodell noch ein bisschen radikaler ausfiel als die Vorgängerin. Aufsehen erregte Acebal beispielsweise mit der Solaris 58, der er als erster Serienyacht weltweit einen Wavepiercer-Bug verpasste. Das breite Heck mit hoch ansetzenden Chines war von Anfang an Markenzeichen und wurde bei jeder neuen Yacht im Verhältnis zur Länge noch breiter.
Vorläufiger Höhepunkt dieser Entwicklung ist die neue Solaris 55. Acebal überschritt damit offenbar eine Grenze – zum ersten Mal stattete er eine Solaris mit zwei separaten Ruderblättern aus; die nächst größere bzw. kleinere Yacht, sprich Solaris 58 und 50, kommen mit nur einem Ruder aus.
Während andere Premium-Hersteller die Bedürfnisse potenzieller Kunden mit unterschiedlichen Modellreihen zu treffen versuchen, geht man bei Solaris schnurgerade den eingeschlagenen Weg weiter. Das betrifft neben der äußeren Form auch Innenausbau und Holzqualität, wo man sich an der hauseigenen Semi-Custom-Linie orientiert. Wertige Tischlerarbeit, italienisches Styling und feine Haptik des Mobiliars erzeugen ein Ambiente, das auf Serienyachten selten anzutreffen ist.
2016 gewann die Solaris 50 die Wahl zu Europas Yacht des Jahres, 2017 begeisterte man auf der boot in Düsseldorf die Massen. Die vier dunkelblauen, in einem Meer aus blauen Glassplittern schwimmenden Solaris-Yachten (47, 50, 55 und 58) wurden von den staunenden Messebesuchern im Sekundentakt fotografiert. Ein Auftritt mit Symbolkraft: So sieht sich Solaris selbst und so will man von potenziellen Kunden wahrgenommen werden.
Der Vergleich macht sicher
Die Solaris 55 steht werftintern in direkter Konkurrenz zur 58. Die 50 spielt hinsichtlich Größe und Preis in einer anderen Liga und hat mit der 47 eine starke Mitbewerberin in den eigenen Reihen.
Äußerlich sind 58 und 55 ähnlich. Extrem flaches Deck, markanter flacher Aufbau, zwei Räder an zarten Steuersäulen, offenes Heck mit klappbarer Badeplattform, Rumpf mit markanten, aber hochgezogenen Chines und Wavepiercer-Bug. Die Radikalität der 58, die die Yacht nach wie vor in jeder Marina zum Eyecatcher macht, wird von der 55 durch das breitere Heck und die zwei sichtbaren Ruderblätter aber noch übertroffen.
Die Rudersysteme sind ein Unterscheidungsmerkmal mit weitreichenden Folgen. Jede Variante bietet Vor- und Nachteile: Bei Leichtwind ist ein Ruder wegen des direkteren Steuergefühls besser, bei Starkwind punktet das Doppelruder, dafür funktioniert damit das Eindampfen nicht. Andererseits kann man mit dem Doppelruder dank des geringeren Tiefgangs beim Inselwirten gefahrlos mit dem Heck an der Mole festmachen – ein Manöver, das mit dem langen Single-Ruder öfters zum Scheitern verurteilt ist, als man glauben würde.
Ein heiß diskutiertes Thema in dieser Liga ist die Dingi-Garage. In diesem Punkt hat die 58 die Nase vorn, wo man ein 2,90 m langes Beiboot (im Idealfall mit Klappspiegel) der Länge nach locker unter bringt.