Die Glorreichen Sieben

Ein Überangebot an Skippern ist sogar im Hafen gefährlich, ja sogar schlimmer als blutrünstige Generäle in Friedenszeiten

Die Glorreichen Sieben

Neulich traf ich meinen Freund Ingmar in einem Wiener Café. Bisher war mir der alte Schwede stets in Häfen begegnet: Schulterklopfend, geräuschvoll, breitschultrig, um keinen Holzhammer-Spruch verlegen. Ein selbstbewusstes Kraftbündel mit der Synchronstimme von Bruce Willis und dem Oberkörper von Sylvester Stallone. Der ideale Master and Commander für eine Antarktis-Umrundung.

Und jetzt? Er erkennt mich sofort – ich ihn erst im dritten Anlauf. Seit zwei Jahren sei er keinen Törn gefahren. Erzwungenes Lächeln, eine Zigarette nach der anderen. Mehr Woody Allen, der „Stadtneurotiker“.

War es ein Hurrikan? Ein Tornado? Vielleicht die Kollision mit einem Container wie bei Robert Redford in „All Is Lost“? Mann über Bord? Feuer? Der Weiße Hai?

„Schlimmer. Es war eine Schnapsidee“, erzählt Ingmar, „wir wollten aus sieben Skippern eine Crew bilden.“ Ingmar zittert: „Das Desaster fing im Waschraum der Marina an.“ Wulf, ein Mann wie ein Eisbär, der sich brüstet, die Nordwest-Passage auf einer Ketsch durchtanzt zu haben, sei hingefallen. „Nicht ausgerutscht, denn Glatteis kann er. Nein, er ist über die gelbe Tafel geflogen, auf der in drei Sprachen ACHTUNG RUTSCHIG! steht.“ Dabei habe er sich die Zahnbürste in den Rachen gerammt und zwei Schneidezähne ausgeschlagen.
Nur zwei Wochen hatte die Crew der Gloria für die Mittelmeerquerung eingeplant. Und dann musste Wulf dank seiner Verletzungskreativität gleich drei Ärzte konsultieren. Unterdes kam es auf der Yacht zu ersten Scharmützeln: „Petzi, ein Sportbootführerscheinprüfer, hat ständig Leinen aufgeschossen. Heini, ein Regatta-Trainer, hat sie alle wieder frei gemacht.“

Ich verbeiß‘ mir das Lachen, Ingmar das Weinen. „Nachdem Heini zum vierten Mal den Achtknoten im Tampen der Schot gelöst hatte, deutete Petzi eine Ohrfeige an. Heini plumpste rücklings ins Hafenbecken von Valencia. Im Fallen hielt er sich an der Decksdusche fest. Der Schlauch entlud sich minutenlang in meine Kabinenluke, während wir Heini an Deck zogen.“

Wo einst die Alinghi den America’s Cup gewonnen hatte, musste nun eine Brause repariert werden. Und eine Ankerwinde, denn Ronald hatte am Vorschiff eine gravierende Verschlimmbesserung vollzogen: „Ich hasse es, wenn man den Anker nur mit der Elektrowinde fallen lassen kann“, hatte er mit einem Schraubenschlüssel zwischen den Zähnen verkündet. Sekunden später lag ein nagelneuer Pflugschar-Anker unter einem Bündel aus siebzig Meter Ankerkette zwischen Muring-Blöcken auf laut Echolot 7,3 Meter Tiefe.
Ronald erfuhr, dass einer der Marina-Taucher an diesem Tag zu heiraten gedachte. Und zwar in Berchtesgaden, wo Ronald daheim ist. So ein netter Zufall! Blöd nur, dass der zweite Taucher Trauzeuge war.

„No problem“, posaunte Frank und ließ seine 120 Kilo in die Tiefe gleiten, um eine Leine an der Ankerkette anzubringen. Kaum unter Wasser, schoss er wie ein Buckelwal aus dem Wasser. Er hatte anstelle der Kette einen Zitter-Aal erwischt. Vor Schreck vergaß er den Druckausgleich. Die Folgen: Kaninchenaugen, Riss im Trommelfell. Im Wartezimmer der HNO-Klinik begegnete ihm Wulf.

Das konkurrrenzgetriebene Chaos an Bord der Gloria (oder war es doch die Andrea Doria?) entfesselte eine Serie an Konflikten, Verletzungen und Schäden. Als das Wasser knöcheltief im Salon stand, war die Überstellung nach Neapel endgültig gescheitert. Ohne eine einzige Meile zurückgelegt zu haben, wurden aus Freunden Feinde. Einige haben einander das Du-Wort entzogen.

Wenigstens sind Ingmar und Wulf wieder versöhnt. „Ich treff‘ ihn in ein paar Minuten“, sagt Ingmar und steht auf. „Wir sind jetzt in derselben Selbsthilfegruppe. Tschaubaba.“

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