Schwertfisch à la Moretti
Missverständnisse. Segler sind sehr oft einsame Seewölfe. Keiner versteht sie. Keiner will etwas mit Ihnen zu tun haben
Neulich schrieb mir eine liebe Kollegin und Leserin der ersten Stunde: Lieber Jürgen, ich muss dir eine wahre Geschichte erzählen, die sich in unserem Yachtclub zugetragen hat: Der verehrte Herr K – knapp 90 Jahre alt – wollte einem ankommenden Finn-Segler beim Slippen helfen, rutschte dabei aus und brach sich die Schulter. Im Spital fragte eine sehr junge Krankenschwester mitfühlend, wie das denn passiert sei. Die paralysierende Antwort des Herrn K: “Ich bin auf einem feuchten Slip ausgerutscht.“ Seither trägt K das Brandmal Widerlicher alter Lustmolch! auf der Stirn.
So ist das im Leben eines Seglers: Viele Wörter sind doppelsinnig. Missverständnisse sind aufg’legt. Der folgende Satz ist bei Wikipedia nachzulesen: Es wird der Cunninghamstrecker mit einem Hundsfott in der Kausch befestigt. „Kausch sagt man nicht!“, werden Sie sich jetzt womöglich entrüsten und sich genauso angeekelt von mir abwenden wie die Krankenschwester von Herrn K. Völlig ungerechtfertigt übrigens, denn die Aussage ist korrekt in jeder Hinsicht: Das Wort Hundsfott ist sogar im hoch verehrten Standardwerk Die Seemannschaft nachzulesen. Und das nicht im Kapitel: Kommandos für weniger beliebte Seeleute.
Auch wenn Cunningham für Sie ein ehemaliger Eishockeyspieler oder Passarella keine Gangway sondern ein argentinischer Fußballweltmeister sein sollte: Bitte hacken Sie nicht immer nur auf die Segler hin! Nehmen Sie doch auch die Journalisten her: Im Zeitungs-Jargon heißen kurze Silben am Ende eines Absatzes, die auf die nächste Seite rutschen, hochoffiziell Hurenkinder. Ich hab das Vergnügen beiden Branchen anzugehören, bin daher resistent gegen Sexualvokabular und Fäkalsprache.
Wer in aller Öffentlichkeit einen Bullenstander setzt, wird normalerweise nicht als Exhibitionist verhaftet. Dieses Manöver wird nicht durch einen Testosteron-Schub ausgelöst. Im Gegenteil, es handelt sich um eine Vorsichtsmaßnahme.
Auch ein Latten-Groß hat primär nichts mit Potenzkundgebung zu tun. Und die Weisheit „Länge läuft“ bedeutet lediglich, dass eine große Segelyacht meist schneller als eine kleine ist. Wird dieser Satz ständig wiederholt, besteht aber vermutlich sehr wohl ein hormoneller Hintergrund.
Es ist ja nicht nur die Sprache der Segler, die falsch verstanden wird. Es sind auch ihre Handlungen. Neulich im Hafen von Messina: Ein Mann im Ölzeug lässt vom Steg aus eine Bierdose an einer dünnen Leine zu Wasser. Ein dicker Berliner macht seine Frau überzogen laut lachend auf diese kuriose Aktion aufmerksam: „Kuck dir diese Napfsülze an! Angelt mit ena Moretti-Dose! Bei dem is wohl ne Schraube locker. Der jehört ja inne Klapsmühle!“
Kaum ist das Berliner Touristen-Paar kopfschüttelnd abgegangen, sprudelt der Werkstaucher der Marina mit der Bierdose in der Hand an die Oberfläche, nimmt das Mundstück ab, schiebt die Maske nach oben und fragt den vermeintlichen Angler: „Che c'è?“ Jetzt erklärt der Biermann dem Froschmann in klischeehaft gestenreichem Italienisch, was der dicke Zaungast nicht wissen konnte und nie erfahren wird: Der etwas verzweifelte Skipper hatte eine Fischerleine in die Schraube seiner Segelyacht bekommen. Nachdem der Profi-Taucher auf kleine Steinchen nicht reagiert hatte, ließ der Segler ein Köderbier der Marke Moretti zu ihm runter. Minuten später war seine Schraube wieder frei. So betrachtet lag der Dicke mit dem Satz „Bei dem is wohl ne Schraube locker“ gar nicht so weit daneben.
In Berliner Gourmet-Tempeln ist inzwischen angeblich ein Gerücht aufgetaucht, wonach der ebenso berühmte wie himmlische sizilianische Schwertfisch nur gefangen werden könne, weil er komplett verrückt nach Birra Moretti sei.