Segelboot statt Eheberatung

Untiefen. Von der absurden Wohnmobil-Vision bis zum lächerlichen Alt-Brot-Dilemma

Segelboot statt Eheberatung

Mein Freund Harry bezeichnet seinen Hochzeitstag als „Mayday“. Witzig, denn tatsächlich fand das unglückliche Ereignis an einem Tag im Mai statt. „Ich hätte es wissen müssen“, sagt Harry im April danach. Denn der Hochzeitsreise irgendwo im Gebirge ohne Meer- oder Seeblick sei ein schicksalhafter Dialog vorausgegangen:

Sie: „Dein Segelboot wirst du jetzt ja sicher verkaufen. Wollen wir uns stattdessen ein kleines Wohnmobiltscherl leisten?“

Harry: „Du redest wie meine Exfrau.“

Sie: „Was?! Du hast mir verschwiegen, dass du schon verheiratet warst?“

Harry: „Ich war nie verheiratet.“

Nun, der Honeymoon war die vorletzte gemeinsame Reise der beiden. Ein paar Monate später folgte ein Segeltörn. Nach dem Heimflug wurde das junge Paar in Schwechat schon vom Scheidungsanwalt erwartet. Harry durfte das Boot behalten, sie den Hund und den E-Scooter.

Manchmal triffst du einen Menschen und weißt sofort, dass du dein ganzes Leben ohne ihn verbringen willst. Ergraute Skipper nützen diesen Instinkt bei der Auswahl der Crew. Bei Beziehungen kommt es hingegen oft vor, dass Bauchgefühl und Lebenserfahrung überlagert werden. Und zwar von hormonellen Verwirrungen, die von gewissen Körperteilen ausgehen.

Wer aber einen Segelurlaub ohne innere und äußere Blessuren gemeinsam übersteht, der hat gute Chancen, dass die Beziehung tatsächlich hält. Das gilt übrigens auch für Freundschaften. Jede gemeinsame Minute auf dem Boot schafft Klarheit. Das ist zwar keineswegs billiger als eine Eheberatung, dafür aussagekräftiger und deutlich effizienter.

Wie zum Beispiel bei Rosi: Bei ihr genügte eine kleine Jolle auf einem großen Fischteich. Es ging nicht etwa um einen Törn in der Karibik, sondern um die A-Schein-Prüfung auf dem Waldschachersee in der Südsteiermark. Bei der Abschlussregatta wurde Rosi von der gesamten Flotte überholt. Ihr Mann – ein Naturwissenschaftler – war nach perfektem Start der Meinung, dass sein Weib gehorchen und daher unverzüglich exakt gegen den Wind segeln müsse. „Er hat mich als dummes Bauernmensch beschimpft, während wir uns mit killenden Segeln zielsicher den letzten Platz abholten.“

Dem weisen Segellehrer Ignaz ist Rosi bis heute dankbar: „Der hat mich bei der zweiten Wettfahrt zu einer Freundin ins Boot gesetzt.“ Auf dem Weg zum Sieg beobachteten die beiden aus dem Augenwinkel, wie der Herr Professor nach dem seelischen auch das körperliche Gleichgewicht verlor und ein unfreiwilliges Bad nahm. Rosis Ehe sei nicht die erste und nicht die letzte gewesen, die auf dem Waldschachersee buchstäblich ins Wasser gefallen war.

Auf Segeltörns gibt es viele Untiefen, die zu umschiffen sind. Dummerweise auch an Bord! Das gilt besonders für labilere Beziehungen. Eine dieser Untiefen erscheint lächerlich, hat aber schon zwei Paare aus meinem Freundeskreis auseinandergerissen:

Er kauft frisches Brot.

Sie schneidet das alte Brot auf.

Er sagt: „Ich will aber frisches Brot!“

Sie sagt: „Erst muss das alte gegessen werden.“

Dann folgt das Totschlag-Argument: „Dann essen wir ab jetzt also immer nur altes Brot?“ Diese Unverfrorenheit war der Tropfen, der das Fass dieser Ehe zum Überlaufen brachte.

Bitte nicht falsch verstehen: Beim zweiten Paar, das am Alt-Brot-Dilemma zerbrach, war die Geschlechterverteilung umgekehrt. Doch meine Lieblingsscheidung vollzog sich vor meinen Augen in der strömungsanfälligen Marina Trogir: Ein mäßig talentierter Motorbootfahrer brüllt seine Frau an, weil sie am Vorschiff nicht in der Lage ist, jene Fehler auszugleichen, die ihm am Ruder unterlaufen. Nach einem besonders lautstarken Kommando im Tonfall eines Zuhälters springt sie über Bord und krault davon. Marinero Milan bestätigt mir ein Jahr danach: „Die Trottl hat Frau nie mehr gesehen.“

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