Überredungskünstler chancenlos
Auch wenn wir es nicht wahrhaben wollen: Es gibt tatsächlich Menschen, die nicht segeln wollen
In meiner Anfangszeit als begeisterter Skipper war ich von einem Gedanken besessen: Ich wollte die Menschen dazu überreden mit mir segeln zu gehen. So versuchte ich unter anderem meinen legendären Journalisten-Kollegen Herbert Hufnagl für einen Kroatien-Törn zu gewinnen. Der daraus resultierende Dialog ist mir nach wie vor gut in Erinnerung. Im Wortlaut. Fast …
Willst du eine Woche lang mit uns auf Segeltörn fahren? – Nein.
Warum nicht? – Klaustrophobie.
Aber das ist doch Blödsinn! Auf so einem Schiff ist Platz für mindestens neun Leute und wir sind eh nur zu sechst. – Fünf zu viel.
Du bist komisch … – Ich weiß. Davon lebe ich.
Eine Woche lang Sonne, Segeln, Wind, Meer, herrliche Fische, traumhafte Buchten. – Schrecklich.
Wieso schrecklich?
Ich brauche festen Boden unter den Füßen.
Wir segeln eh nur maximal sechs Stunden pro Tag.
Fünf zu viel.
Warum?
Ich werde nach einer Stunde seekrank.
Wieso weißt du das? Wann warst zu zuletzt segeln?
Ich war noch nie segeln.
Und trotzdem weißt du, dass du seekrank wirst?
Ja.
Woher?
Von der alten Donau.
Blödsinn.
Ich hab schon vom Ruderboot aus in den Schlossteich von Laxenburg gekotzt. Mir wird jetzt schon schlecht, wenn du nicht endlich aufhörst, vom Segeln zu reden.
Okay. Was stört dich noch am Segeln?“
Alles.
Was alles?
Schiefes Boot, nasses Gewand, Dieselgestank, hyperaktive, halbnackte Menschen, Fische, Sonnencreme …
Wenn das Boot zu schief steht, müssen wir halt reffen.
Ich hasse reffen.
Weißt du überhaupt, was reffen heißt?
Nein. Aber es klingt sehr gefährlich.
So ein Schwachsinn! Beim Reffen verkleinert man die Segelfläche, damit es eben nicht gefährlich wird. Und das Gewand wird im Sommer nur sehr selten nass.
Einmal ist schon zu viel.
Den Dieseldunst riechst du auch nur selten. Und wenn wir segeln sowieso nie.
Du. Nicht wir.
Wie bitte?
Wir segeln nicht. Du segelst. Ich segle eben nicht.
Okay. Würdest du aber segeln, was würde dich dann an hyperaktiven Menschen stören?“
Ihre Hyperaktivität.“
Sehr witzig. Und halbnackt stimmt auch nur sehr bedingt, weil ihnen entweder zu kalt oder zu heiß ist.“
Eben.
Was, eben?
Ich hasse zu heiß oder zu kalt.
Du bist wirklich komisch.
Das sagtest du schon.
Und Fische: Was zum Teufel stört dich an Fischen?
Fische stinken.
Aber doch nicht die, die im Meer schwimmen!
Wer weiß?
Ich weiß das.
Du lügst. Kennst du alle Fische persönlich?
Was soll das? Wenn du Glück hast, siehst du in der ganzen Woche keinen einzigen Fisch.
Du lügst schon wieder.
Wie bitte?
Du hast gesagt: „… Wind, Sonne, herrliche Fische …“
Ja, aber doch nur auf dem Teller! Beim Abendessen! Und bitte wieso ist Sonnencreme ein Problem für dich?
Stinkt schlimmer als Fisch.
Gut. Da hast du Recht.
Na siehst du!
Ich seh‘ vor allem, dass ich chancenlos bin bei dir. Dann fahr‘ doch einfach zur Hölle!“
Eben nicht.
Was?
Das heißt: Wie bitte?
Von mir aus: Wie bitte?
Ich fahr‘ eben nicht zur Hölle, weil ich nicht mit dir auf Törn fahre.
Selber schuld. Du weißt ja gar nicht, was du versäumst.
Okay. Was kostet der Spaß?
Sechshundert Euro. Pro Person. Und nicht sag jetzt: Fünfhundert zu viel.
Nein. Sechshundert zu viel. Aber gut, du hast mich überzeugt.
Wie bitte? Das überrascht mich jetzt ziemlich. Aber ich freu‘ mich natürlich trotzdem!
Du hast mich überzeugt: Ich bleib‘ zu Hause.
Was … ich meine … wie bitte?
Ich hasse Menschen, die versuchen mich mit allen Mitteln zu etwas zu überreden.
Jetzt hab‘ mich doch gern!
Das versuch‘ ich ja. Noch. Aber es fällt mir immer schwerer!
Ich habe nie herausgefunden, woher Herbert Hufnagl, der heuer siebzig geworden wäre, sein profundes Wissen über Segeltörns bezogen hatte. Angeblich war er ja nie auf einem Segelboot. Hat er mir ein traumatisches Erlebnis verschwiegen? War der weltoffene, aufgeschlossene Menschenversteher mit der Ungewissheit, die ein Törn mit sich bringt, überfordert? Oder wollte er mich einfach nur pflanzen?
Drei Monate später fragte er mich übertrieben fröhlich: „No, wie war dein Segeltörn?“ Ich glaube, das tat er nur, weil er heimlich den Wetterbericht mitverfolgt hatte: Drei Tage heftige Bora mit 14 Grad, drei Tage Jugo mit 32 Grad, täglich drei Gewitter, überdurchschnittlich viel Regen und sehr hohen Wellen.
„Geh zum Teufel“, antwortete ich. Und Hufnagl tänzelte mit leichter Krängung vergnügt von dannen.